Redkationell.
Antrag: | Inhaltliches Stichpunktepapier zum Grundsatzprogramm - Schwerpunkt Bodenpolitik (Planungs-, Bau- und Wohnungspolitik) |
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Antragsteller*in: | Daniela Wagner |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 06.07.2018, 16:51 |
Antrag: | Inhaltliches Stichpunktepapier zum Grundsatzprogramm - Schwerpunkt Bodenpolitik (Planungs-, Bau- und Wohnungspolitik) |
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Antragsteller*in: | Daniela Wagner |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 06.07.2018, 16:51 |
Zu geringe Fortschritte beim BodenschutzBoden-, Umwelt- und Klimaschutz: Die wichtigsten ökologischen Anforderungen an Gebäudebestand und Neubau,
Die Konzentration von Wirtschaftsmacht und die Finanzialisierung von
Grundeigentum verstärken soziale und räumliche Ungleichheiten, behindern den
Klima- und Umweltschutz und gefährden das historische Erbe unserer Städte und
Dörfer. Das macht neue politische Antworten in der Bodenpolitik notwendig, die
Grundlage für Raumordnung und Stadtentwicklung und eine bessere Wohnungs- und
Mietenpolitik ist. Im Wesentlichen geht es um folgende Probleme und
Herausforderungen:
Fortschreitende sozialräumliche Polarisierung: Marktkonzentration führt
auch zu räumlicher Konzentration. Wachstumsstarken Großstadtregionen
stehen anders strukturierte Dörfer, Klein- und Mittelstädte gegenüber. Die
einen suchen Antworten auf Bevölkerungszuwachs, steigende Mieten und
Wohnungsbedarf für mittlere und untere Einkommensschichten. Die anderen
kämpfen gegen Leerstand und Verfall, gegen den Verlust von Gewerbe und
Handel, Schule und Gesundheitsversorgung. Die Gleichwertigkeit der
Lebensverhältnisse und ein angemessener Infrastrukturzugang (ÖPNV,
Internet, Kultur) sind nicht mehr gewährleistet.
Veränderte Grundeigentümerstrukturen: In den großen Städten haben sich die
Grundeigentumsverhältnisse stark verändert. Natürlich ist nach wie vor ein
Großteil des Grundbesitzes in Privathand, aber Finanzinvestoren, Fonds und
Aktiengesellschaften bestimmen in starkem Maße die städtischen
Immobilienpreise und Wohnungsmärkte. Städtische Bodenrenditen werden heute
mehr als Hebel für schnelle und maximale Kapitalverwertung genutzt und
weniger auf langfristigen Werterhalt ausgerichtet. Das gefährdet die
altersgerechte und energetische Modernisierung des städtebaulich
wertvollen Gebäudebestandes.
Landgrabbing: In ländlichen Regionen insbesondere in Ostdeutschland wird
viel Spekulation mit Landwirtschaftsflächen betrieben. Die Zahl der
inhaberbetriebenen Agrarbetriebe sinkt. Die Zahl der Großbetriebe mit
Monokulturen und Massentierhaltung steigt, obwohl es mit den
Grundstücksverkehrsgesetzen Begrenzungsinstrumente auf Länderebene gibt.
Hier sollten alle Länder an einem Strang ziehen und Agrarstrukturgesetze,
wie Grüne sie beispielsweise in Niedersachsen und Brandenburg entwickelt
haben, versuchen durchzusetzen.
Ungleiche Relation von Einkommens- und Mietenentwicklung: Während die
Lohnentwicklung sich bis 2010 zwischen Null und höchstens 3% brutto (!)
bewegte, seit 2011 immerhin zwischen 3 und 4%, gewährt das Mietrecht
prinzipiell 5% jährliche Nettomietsteigerung und setzt Neuvertragsmieter
trotz Mietpreisbremse besonders hohen Mietforderungen aus.
Modernisierungen dürfen immer noch mit 11% auf die Mieten umgelegt werden.
In strukturschwachen Regionen können Eigentümer diese Rechte oft nicht
maximal nutzen. Umso mehr tun dies die Investoren in den wachstumsstarken
Regionen. Die durchschnittliche Wohnkostenbelastung lag1990 bei 20%, sie
stieg bis 2015 auf 36% bruttowarm (Statistisches Bundesamt).
Alleinstehende und Haushalte mit niedrigem Einkommen müssen vielfach
zwischen 40 und 50% ihres Einkommens für das Wohnen ausgeben.
Die politische Privilegierung des Grundeigentums verstärkt die
gesellschaftlichen Ungleichheiten. Der Staat bevorzugt nicht nur das
selbstgenutzte Wohneigentum sondern auch größeres privates
Immobilienvermögen und die gewerbliche Wohnungswirtschaft. Zugang zum
deutschen Grundstücksmarkt haben nicht nur EU-Bürger sondern Investoren
aus aller Welt, was auch dubiose Geschäftemacher anzieht. Italienische
Mafiosi, afrikanische Potentaten, russische und chinesische Oligarchen
stecken ihre Gelder hier gerne in Core-Immobilien. Der Begünstigung des
Grundeigentums im Steuer-, Miet-, Planungs- und Gesellschaftsrecht steht
zu wenig Mitverantwortung für das Allgemeinwohl gegenüber.
Artikel 14 GG: „Eigentum ... soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit
dienen.“ Intransparente Eigentümerstrukturen, zu wenig
Steuerungsmöglichkeiten der Kommunen und fehlender Standortwertausgleich
machen Immobilieneigentum zum Renditeobjekt zulasten lebenswerter Städte.
Große Immobilieneigentümer verschaffen sich eine durch öffentliche
Investitionen gesicherte, auflagenlose Rendite, die nur gering oder gar
nicht besteuert wird. Das Grundgesetz fordert vom Gesetzgeber in Art. 14
(2) ausdrücklich eine Sicherung der Sozialpflichtigkeit des Eigentums.
Bisher ist der Gesetzgeber dieser Verpflichtung nicht nachgekommen. Hier
liegt dringender politischer Handlungsbedarf – und zwar mehr als die heute
gebräuchliche Placebo- oder Symptombehandlungs-Politik. Ferner bedarf es
auch einer Änderung der §§93, 94 BGB.
Falsche Wohnungs- und Liegenschaftspolitik: Die Wohnungsgemeinnützigkeit
wurde 1989 abgeschafft. Die Bindungen der Sozialwohnungsbestände sind
überwiegend ausgelaufen. Viele öffentliche Wohnungsbestände wurden an
Finanzinvestoren verkauft. Überschuldete Kommunen haben oft auch ihre
Grundstücke nach Höchstpreisverfahren privatisiert ebenso wie der Bund
dies tut. Nicht nur Niedrigzinsen sondern auch das Mietrecht und das Recht
auf Eigentumsumwandlung forcieren den Run auf die Kapitalverwertung
städtischer Immobilien. Das Sichern und Schaffen von bezahlbaren und
sozial gebundenen Wohnungen in den wachstumsstarken Stadtregionen wird
eine Daueraufgabe.
Der Verlust der sozialen und städtebaulichen Steuerungsfähigkeit von
Städten und Kommunen: Viele Städte und Gemeinden sind anhaltend finanz-
und handlungsschwach. Das neoliberale Prinzip des „schlanken Staats“ hat
zum Ausverkauf elementarer öffentlicher Gemeingüter geführt und kommunale
Handlungsspielräume eingeschränkt. Investoren nutzen den Boden zur
Kapitalverwertung, ohne einen angemessenen Beitrag zu den kommunalen
Infrastrukturen und zum Gemeinwohl zu leisten. Es geht darum, staatliche
und kommunale Handlungsfähigkeiten zurückzugewinnen und von der
Immobilienwirtschaft mehr Gemeinwohlorientierung und Sozialpflichtigkeit
einzufordern. Eine Gemeindefinanzreform, die den Kommunen Chancen auf mehr
eigenständige Steuereinnahmen gibt, ist überfällig.
Zu geringe Fortschritte beim BodenschutzBoden-, Umwelt- und Klimaschutz: Die
wichtigsten ökologischen Anforderungen an Gebäudebestand und Neubau,
Städte- und Siedlungsbau sind die Senkung des Siedlungsflächenverbrauchs,
die Optimierung der Energieeffizienz bei Bestand und Neubau und der
Einsatz von gesunden, umwelt- und klimaschützenden Baustoffen,
Bautechniken und regenerativen Energien.
Es ist zu befürchten, dass es in dieser Wahlperiode keine nennenswerten
Fortschritte bei diesen drängenden Aufgaben gibt. Um so wichtiger sind klare
grüne Forderungen.
Die Themen Wohnungspolitik, Stadt- und Regionalentwicklung hatten in unserer
Partei bislang immer nur untergeordnete Bedeutung. Bodenpolitik ist noch gar
kein Thema. Erst jetzt entsteht wegen der anhaltenden Immobilienspekulation hier
Diskussions- und Handlungsbedarf.
Das besondere Problem unserer Partei ist, dass wir sehr diffus in unserer sozio-
ökonomischen Grundhaltung sind. Die Spanne reicht von entschiedenen
Wachstumskritikern bis zu ebenso entschiedenen Anhängern der globalen
Kapitalverwertung, die es nur für die ökologische Modernisierung zu gewinnen
gilt. Parteien brauchen aber eine für die Bürger*innen klar erkennbare sozio-
ökonomische DNA. Eine ökologische DNA allein reicht nicht aus. Nachhaltigkeit
muss ökonomisch, sozial und ökologisch buchstabiert werden. Hier fehlt uns die
Erkennbarkeit. Das werden wir angehen müssen, wollen wir in breiteren Schichten
der Bevölkerung Fuß fassen.
Wir müssen die politische Diskussion um die Sozialpflichtigkeit des
Grundeigentums offensiv führen und konkrete Forderungen dazu insbesondere im
Miet-, Steuer-, Gesellschafts- und Planungsrecht erarbeiten. Dazu in
Stichpunkten wichtige Forderungen, für die es noch vielfachen Diskussionsbedarf
gibt (Stand Juni 2018):
Grundeigentumsverhältnisse müssen transparent sein. Die wirtschaftlich
berechtigten Eigentümer müssen nachvollziehbar sein. Steuerhinterziehung
und anonymisiertes, in Briefkästen verstecktes Grundeigentum muss geahndet
und unterbunden werden.
Das Mietrecht und das Recht auf Eigentumsumwandlung dürfen keine
Spekulationsanreize bieten. Mieterhöhungen, Mietspiegelfortschreibungen,
Modernisierungsumlagen und Neuvertragsmieten dürfen keine gesetzlich
gewährten Preistreiber sein. Wir brauchen eine neue
Wohnungsgemeinnützigkeit.
Auch kleine und mittlere Unternehmen brauchen besseren mietrechtlichen
Schutz. Dafür sollten – zumindest für größere Städte - Gewerbemietspiegel
analog zum Wohnungsmietrecht eingeführt werden. Alternativ ist auch das in
Frankreich geltende Gewerbemietrecht denkbar.
Die steuerrechtliche Privilegierung von Erträgen aus Grundeigentum muss
eingeschränkt werden. Veräußerungsgewinne aus privatem Immobilienvermögen,
das über das selbstgenutzte Wohneigentum hinaus geht, sind angemessen zu
besteuern. Wohnungsunternehmen, die keiner Gemeinwohlverpflichtung
unterliegen, dürfen nicht länger von der Gewerbesteuer befreit werden. Die
steuerliche Abschreibung von spekulativem Leerstand muss eingeschränkt
werden. Die Grundsteuer ist als Bodenwertsteuer auf Grundlage der
Bodenrichtwerte auszugestalten. Die Grundsteuer darf dann aber auch nicht
weiter als Betriebskosten auf die Miete umgelegt werden, da sie bereits
mit der Miete entgolten wird. Es ist klar, dass hierzu Übergangsregelungen
erforderlich sind um Härten zu vermeiden. Das Vererben und Schenken von
Grundeigentum über den Eigenbedarf hinaus muss angemessener besteuert
werden als bislang.
Das kommunale Planungsrecht (BauGB) ist fortzuschreiben. Grundeigentümer
sollen der Kommune Teile der planungsrechtlichen Bodenwertsteigerung für
Investitionen in die sozialen Infrastrukturen abgeben. Bei
Wohnungsbauvorhaben muss die Kommune auch das Recht haben, die Bauherren
zu verpflichten, anteilig öffentlich geförderte Sozialwohnungen und/oder
privat finanzierte bezahlbare Wohnungen zu erstellen.
Der Siedlungsflächenverbrauch muss eingeschränkt werden. Dafür könnte die
Ausweisung von neuem Bauland auf Agrar- und Naturflächen mit der
Verpflichtung zur entsprechenden Renaturierung von Boden andernorts
verbunden werden. Damit würde der naturschutzrechtliche Ausgleich ergänzt
und deutlich ausgeweitet. Gleichzeitig soll eine angemessene
Innenverdichtung in den besiedelten Bereichen organisiert werden. Hierzu
sind Instrumente der Bauflächenaktivierung in partizipativen Verfahren
einzuführen. Ein „Baukindergeld“ sollte es – wenn überhaupt –
ausschließlich für die Erneuerung und Nachnutzung von bestehenden
Wohnungen und Gebäuden geben, nicht für die weitere Zersiedlung von Agrar-
und Naturland.
Die Liegenschaftspolitik der öffentlichen Hände muss grundlegend geändert
werden. Der dauerhafte Gebrauchswert von Grund und Boden ist nicht nur
gesellschaftlich, sondern auch ökonomisch viel größer als der kurzfristig
erzielbare Marktwert. Statt Ausverkauf von öffentlichen Grundstücken,
Wohnungsbeständen und Wohnungsunternehmen setzen wir auf:
- den Aufbau von kommunalen, landes- und bundeseigenen Bodenfonds;
- die Vergabe von Bodennutzungsrechten ausschließlich durch Erbbaurechte,
- die Grundstücksvergabe nach Konzeptverfahren, bei denen städtebauliche,
ökologische, soziale und kulturelle Kriterien sowie die Stärkung von
kleinen und
mittleren Unternehmen Vorrang haben vor dem erzielbaren Erbbauzins,
- die Stärkung der kommunalen Vorkaufsrechte,
- die Verpflichtung öffentlicher Unternehmen, Grundstücke, für die sie
keinen Bedarf
haben, zum Verkehrswert dem Bodenfonds ihres öffentlichen Eigentümers oder
dem jeweiligen kommunalen Bodenfonds zum Vorkauf anzubieten.
Die Anforderungen an ökologisches Planen und Bauen stärken.
DieMöglichkeiten, Bebauungspläne, Satzungen und Baugenehmigungen mit
klimaschützenden, umwelt- und gesundheitsverträglichen Bauinvestitionen zu
verbinden, müssen erweitert werden.
Die energetische Gebäudemodernisierung vorantreiben. Hier muss es endlich
verbindliche Zielvorgaben zur CO2-Neutralität bis spätestens 2050 geben.
30 Jahre sind ein angemessener Erneuerungszyklus für Bauinvestitionen,
auch für den Gebäudebestand. Aber bei längerem Zuwarten läuft uns die Zeit
davon!
Die Förderung des langfristig und dauerhaft sozial gebundenen Wohnungsbaus
ist als Daueraufgabe für alle wachstumsstarken Städte und Kommunen
unabdingbar. Ebenso wie die Förderung von energetischer Modernisierung und
Barrierefreiheit. Dies muss mit klaren Sozial- und Mietbindungen verknüpft
werden. Die Einführung einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit ist von großer
Bedeutung. Sie hat aber die Einschränkung der derzeitigen Steuervorteile
für gewerbliche Wohnungsunternehmen zur Voraussetzung. Grundsätzlich
gilt: Bei allen Instrumenten sollte nicht schematisch auf private
Immobilienverwertungsrechte versus kommunale, gleich soziale und
gemeinnützige Wohnungswirtschaft gesetzt werden sondern auf (kleinteilige)
Eigentümervielfalt, Vielfalt der Wohn- und Lebensformen, soziale Mischung
und Nutzungsmischung. Denn dies zusammen mit guter Infrastruktur,
Stadtnatur, Spiel, Sport und Erholung macht urbanes Leben aus.
Redkationell.
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