Veranstaltung: | BAG - Sitzung Berlin 28./29.9.2018 |
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Antragsteller*in: | Caro Meder & Andreas Rieger (Sprecher*innen BAG PBW) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 11.09.2018, 10:44 |
A3: Arbeitsstruktur zur Erstellung eines PBW-Positionspapiers für den Grundsatzprozess
Antragstext
Begründung
Wege zu Grundsätzen einer bündnisgrünen Planungs-, Bau- und Wohnungspolitik
Wir hatten in Stralsund beschlossen, zum Einstieg in den Grundsatzprozess den Bundesvorstand per Brief zu fragen, wo und wie grundsätzliche gesellschaftliche Fragen im Grundsatzprogrammprozess diskutiert werden können und wo und wie wir uns mit unseren Themen in die Debatte einbringen können, da uns die vorgegebene Struktur nicht geeignet erschien unsere Themen in angemessener Art und Weise zu berücksichtigen.
Leider gab es bis Anfang September keine Antwort vom BuVo.
Daher haben wir Sprecher*innen uns dazu entschlossen, kurzfristig - auf Grundlage der bisher skizzierten Inhalte - ein Themenpapier zusammenzustellen und es allen Impulsgruppen und dem BuVo als Diskussionsbeitrag zur Verfügung zu stellen.
Die Eile war geboten, da die meisten Impulsgruppen Anfang September tagten. Parallel baten wir die Adressaten um Rückmeldungen, um unsere Posiotionen ggf. zu verfeinern.
Diese Themenskizze findet Ihr im Anhang.
Auf Ihrer Grundlage möchten wir im nächsten Schritt ein beschlussfähiges Positionspapier für den GSP erstellen.
Unser Grundsatzprogramm (GSP) und die
Impulse der Bundesarbeitsgemeinschaft Planen Bauen Wohnen (BAG PBW)
Anstehende Aufgaben, Themen und Probleme für
unsere Städte, Dörfer und Kulturlandschaften
Vorbemerkung
Die Reihenfolge der folgenden Punkte ist willkürlich, keine Wichtung oder Chronologie, ferner haben sie keinen Anspruch auf Vollständigkeit, weder in der Themensetzung noch in der Formulierung. Wir verstehen diese Freihandskizzen als einen substanziellen Beitrag zur Debatte des Grundsatzprogramms, sie stellen überwiegend keine abgeschlossenen oder vollständigen Positionierungen der BAG PBW dar
Leitbilddebatte und Impulsgruppen
Nach unserer Lesart beziehen sich die sechs Impulsgruppen und damit Themenbereiche auf einen gewissen Querschnitt alltagspolitischer Themenschwerpunkte. Wir sehen mit großer Sorge, dass mit diesen Themenzuschnitten die notwendige Verständigung über bündnisgrüne Grundsätze und über unser gesellschaftspolitisches Leitbild keinen Raum erhält. Angesichts der aktuellen gesellschaftspolitischen Umbrüche ist das Hinterfragen der im letzten Grundsatzprogramms erarbeiteten Leitbegriffe und neuer gesellschaftlicher Entwicklungen sowie hieraus abgeleitet ihre Tragfähigkeit eine zentrale Aufgabe, der wir uns vor der thematischen Konkretisierung stellen müssen.
Bei der Festlegung der sechs Themenschwerpunkte habt Ihr die räumliche Verortung von Ökonomie, Ökologie, Kultur und sozialem Zusammenleben übersehen. Unsere bündnisgrüne BAG Planen Bauen Wohnen und viele engagierte Kommunen in den Ländern stehen für die Themen Wohnungspolitik, Bodenpolitik, Stadt- und Regionalentwicklung. Wir leben in Zeiten des Zuzugs vieler Menschen in die wirtschaftsstarken Stadt- und Metropolregionen bei vielfach schrumpfenden Dörfern, Klein- und Mittelstädten in den ländlichen Räumen. In diesen Politikfeldern greifen ökonomische, ökologische, soziale und kulturelle Dimensionen sehr kleinteilig ineinander. Ihre Komplexität kann in ressortzugeordneten Impulsthemen aufgrund fehlender „kritischer“ Masse in den einzelnen Gruppen nicht abgebildet werden. Das ist eine generelles Thema bei Querschnittsaufgaben und interdisziplinär zu bearbeitenden Themen.
Wir regen daher an, Querschittsthemen sowie inter- und transdisziplinäre Aufgaben im Zuge der ersten Diskussionsrunden zu identifizieren und hierfür geeignete Diskussionsräume zu schaffen.
Bilder einer enkeltauglichen Planungs-, Bau- und Wohnkultur
Wie stärken die Bereiche Planen Bauen Wohnen in den nächsten 20 Jahren das friedliche und erfüllende Zusammenleben der Menschen in Deutschland, in Europa und auf der ganzen Erde?
Wie stärkt der Bereich Planen Bauen Wohnen das Individuum in seiner Entfaltung und Teilhabe an der Gesellschaft sowie in seiner Gestaltung seiner Lebenswelt und unserer Mitwelt? Mitwelt als Begriff der Auflösung der kontraproduktiven Dialektik von Mensch und Umwelt als Mensch, der Teil unserer einen Natur ist.
Welche Bilder sehen wir hier vor unserem inneren Auge?
In der Zukunft, in der wir leben wollen, gibt es für jeden Menschen und jedes Projekt eine gebaute Umwelt, die kulturell das friedliche, konstruktive und visionsgeleitete Miteinander fördert, ökologisch durch den Einsatz nachwachsender Materialien und Energieformen, die Biosphäre nicht beeinträchtigt bzw. sie bei der Regeneration unterstützt und ökonomisch dem einzelnen in einer Weise Kosten beschert, die transparent, angemessen und bezahlbar sind. Ökologisch sind Wohnräume in sind gut isoliert. Die wenige Wärme, die sie noch brauchen, wird durch Wärmepumpen und Kollektoren solar erneuerbar aus der Umgebung ins Haus gebracht. Zum anderen wurden große Einsparpotenziale durch Isolierung aller Gebäude mit umweltverträglichen Materialien realisiert.
Jeder, der nach einer Phase der Mobilität wieder seßhaft werden möchte, findet Möglichkeiten und Unterstützung, Wohn- und Lebensraum entsprechend der klimatischen und kulturellen Ausdrucksweisen vor Ort zu errichten bzw. zu mieten oder zu kaufen. Egal, ob er seine Heimat verlassen musste, um Verwüstungen, Gewalt und Naturkatastrophen zu entkommen oder ihn das Interesse an einem neuen Leben an einem neuen Ort in einer Art lebensbejahenden Nomadentum zu uns spüle. Wer da ist, hat ein Recht auf eine angemessene Unterkunft für sich und die Personen, die ihm nah stehen. Der persönliche Wohn- und Lebensraum wird als Menschenrecht verstanden und in jeder Region in ihrer Art konstruktiv umgesetzt. Der Dialog zwischen Tradition und Vision trägt zu einer wertschätzenden Gestaltung neuen Wohnraums bei.
Wohnen als ein Menschenrecht ist von Prozessen der Gewinnmaximierung entkoppelt. Die Idee, Wohn- und Lebensräume als gemeinschaftlichen Besitz von Gruppen, Kommunen, Regionen oder Staaten zu gestalten nimmt mehr und mehr Gestalt an. So kann der Klima- und Umweltschutz in jedem Planungs- und Bauprozess vollständig auf dem Stand der Technik berücksichtig werden, das historische und baukulturelle Erbe in die Planungs- und Entwicklungsprozesse eingebunden werden und trotz sehr unterschiedlicher Lebensentwürfen und Einkommensverhältnisse eine plural verwebte Gesellschaft an den Wohnorten soziale Sicherheit und sozialen Frieden gewährleisten.
Die wachsenden Möglichkeiten der Digitalisierung ermöglicht es aus ehemals schrumpfenden Gemeinden lebendige Orte von guter sozialer Durchmischen zu gestalten, die vorzugsweise von lärm- und stressanfälligen Personen, Land- und Gartenbau Interessierten und von Menschen, mit Lebenskonzepten, die einen erhöhten Bedarf an Wohnfläche mit sich bringt, bewohnt werden.
In den urbanen Zentren führt die Philosophie „less is more“ zu einer deutlichen Entspannung der Wohn- und Lebensräume. Die attraktive Förderung, auf 35 qm barrierefreien, ökologisch und kulturell ansprechender Wohnraum pro Person umzusteigen, wurde in einem breiten Maße angenommen. Die Frage, ob man seinen Wohnraum mietet oder als Teil seiner Altersvorsorge besitzen möchte, hängt eher von individuellen Präferenzen bezüglich z.B. der eigenen Seßhaftigkeit als von der Zugehörigkeit von Einkommensgruppen ab.
Immobilienbesitz ist für natürliche Personen bis zu einem Wert des 15 fachen des Jahresdurchschittgehalts wird beim Kauf analog der aktuellen Rentensteuerpolitik als Altersversorgung steuervergünstig. Außerdem gibt es Unterstützung in Form von Beratung, wenn es um die sozialkompetente Vermietung, ökologisch orientierte Modernisierung und Sanierung als Kulturgut geht. Immobilienbesitz über diese Grenze hinaus wird bei natürlichen Personen steuerlich als Vermögen eingestuft und mit entsprechenden Steuern belegt. Immobilienbesitz von juristischen Personen ist an die Wohnungegemeinnützigkeit gebunden und ermöglicht so steuerbegünstigt Abschreibungen. Wohnungen als Spekulationsobjekte gehören der Vergangenheit an.
Sowohl in den urbanen als auch in den ländlichen Quartieren gibt es ganzheitliche Konzepte, dass Menschen auch bei Lebensumbrüchen, Krankheit und Krisen in einem Rahmen gesundheitliche Versorgung und fachliche Unterstützung erhalten, der ihnen die freie Entscheidung über ihren Aufenthaltsort von der Volljährigkeit bis zu ihrem Tod ermöglicht.
Um die Räume zwischen den Lebensräumen der Menschen, also landwirtschaftlich bestellte Flächen, Lebensräume von Fauna und Flora und Verkehrsflächen, den gesellschaftlichen Ansprüchen an eine ökologische, wirtschaftlich und kulturelle Nutzung zu gewährleisten, ist die privatwirtschaftliche Nutzung dieser Räume nur nach Abstimmung mit den Nachhaltigkeitskriterien der Länder möglich. Partikulare Einzelinteressen von Flächeninhaber*innen werden in einem Moderationsverfahren mit den vorrangigen Interesse der Gemeinschaft abgeglichen. Die Freiheit und Zufriedenheit des Einzelne ist dabei ein gleichartiges Gut wie das Wohle Allgemeinwohl.
Stichpunktkatalog zu wesentlichen Handlungsfeldern:
Stellenwert der Boden- und Wohnungspolitik und der Stadt und Regionalerkennung bei Bündnis 90/ Die Grünen
Die Themen Planungs- und Baupolitik, Wohnungspolitik, Stadt- und Regionalentwicklung hatten in unserer Partei bislang immer nur untergeordnete Bedeutung. Bodenpolitik ist noch gar kein Thema. Angesichts der anhaltenden Preissteigerungen und Immobilienspekulationen sowie ihrer gesellschaftspolitischen Auswirkungen können wir uns diesen blinden Fleck nicht mehr leisten. Ein guter Anschlusspunkt für die aktuelle Debatte wäre die Gemeinwohlorientierung von Grund und Boden, wie sie z.B. 1972-74 von Hans-Jochen Vogel vorangetrieben wurde.
Eine klare sozio-ökonomische Grundhaltung ausbilden
In unserer Partei reicht die Spanne unserer Positionen von entschiedenen Wachstumskritikern bis zu ebenso entschiedenen Anhängern von freien, globalen Kapitalströmen,, die es nun für die ökologische Modernisierung zu gewinnen gilt. Unseres Erachtens brauchen Parteien eine für die Bürger*innen klar erkennbare sozio-ökonomische Grundhaltung. Unsere ökologische Grundhaltung reicht als Alleinstellungsmerkmal nicht mehr aus. Im sozio-ökonomischen Themenspektrum fehlt uns die Erkennbarkeit. Nachhaltigkeit muss ökonomisch, sozial und ökologisch, aber auch kulturell durchbuchstabiert werden, wollen wir in breiteren Schichten der Bevölkerung Fuß fassen. Die kulturelle oder hier baukulturelle Säule einer echten Nachhaltigkeitsstrategie ist erforderlich um die ökonomischen, sozialen und ökologischen Werte und Inhalte zu vermitteln und in einen Entwicklungskontext zu setzen.
Sozialpflichtigkeit des Grundeigentums als einer der Pfeiler einer echten Nachhaltigkeitsstrategie
Wir brauchen eine offensive politische Diskussion um Grund und Boden sowie konkrete Forderungen dazu insbesondere im Miet-, Steuer-, Gesellschafts- und Planungsrecht. Grundlage hierzu ist Art 14(2) GG „Eigentum ... soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“
Intransparente Eigentümerstrukturen, zu wenig Steuerungsmöglichkeiten der Kommunen und fehlender Standortwertausgleich machen Immobilieneigentum zum Renditeobjekt zulasten lebenswerter und damit sozial, ökologisch und wirtschaftlich nachhaltiger Städte und Dörfer. Große Immobilieneigentümer verschaffen sich eine durch öffentliche Investitionen gesicherte, auflagen- und leistungslose Renditen, die nur gering oder gar nicht besteuert werden. Das Grundgesetz fordert vom Gesetzgeber in Art. 14 (2) ausdrücklich eine Sicherung der Sozialpflichtigkeit des Eigentums. Bisher ist der Gesetzgeber dieser Verpflichtung nicht ausreichend nachgekommen. Hier liegt dringender politischer Handlungsbedarf – und zwar mehr als die heute gebräuchliche Placebo- oder Symptombehandlungs-Politik. Ferner bedarf es auch einer Änderung der §§93, 94 BGB.
Auswirkungen der zunehmenden Kommerzialisierung des Grundeigentums
Verstärkung der sozialen und räumlichen Ungleichheiten, Behinderung des Klima- und Umweltschutzes, Gefährdung des historischen Erbes unserer Städte und Dörfer. Das alles macht neue politische Antworten in der Planungs- und Bodenpolitik sowie im Gesellschafts- und Immobilienrecht notwendig, die Grundlage für Raumordnung und Stadtentwicklung sowie eine bessere Wohnungs- und Mietenpolitik sind:
Grundeigentumsverhältnisse müssen transparent sein. Die wirtschaftlich berechtigten Eigentümer müssen nachvollziehbar sein. Steuerhinterziehung und anonymisiertes, in Briefkästen verstecktes Grundeigentum muss geahndet und unterbunden werden. Selbstnutzer, natürliche Personen, kommunale und gemeinnützige Gesellschaften sollten als Eigentümer steuerlich bessergestellt werden als juristische Personen.
Das Mietrecht und das Recht auf Eigentumsumwandlung dürfen keine Spekulationsanreize bieten. Mieterhöhungen, Mietspiegelfortschreibungen, Modernisierungsumlagen und Neuvertragsmieten dürfen keine gesetzlich gewährten Preistreiber sein, sie müssen rechtlich auf ein gesundes Maß begrenzt werden. Mieterhöhungen sollten nur bei einer entsprechenden Gegenleistung zulässig sein (z.B. Heizkosteneinsparung, Komfortgewinn). Klar ist aber auch, dass eine wirtschaftliche Vermietung möglich sein muss. Wir brauchen eine neue Wohngemeinnützigkeit, um dauerhaft preiswert bereitgestellten Wohnraum gezielt fördern, aber auch Selbstnutzergenossenschaften ggü. WEG-Baugemeinschaften unterstützen zu können.
Auch kleine und mittlere Unternehmen brauchen besseren mietrechtlichen Schutz. Dafür sollten – zumindest für größere Städte – Gewerbemietspiegel analog zum Wohnungsmietrecht eingeführt werden. Alternativ ist auch das in Frankreich geltende Gewerbemietrecht denkbar.
Fortschreitende sozialräumliche Polarisierung:
Marktkonzentration führt auch zu räumlicher Konzentration. In wachstumsstarken Großstadtregionen steigen die Mieten. Daraus ergibt sich ein Mangel an Wohnraum für die mittlere und untere Einkommensschichten.
Dörfer, Klein und Mittelstädte kämpfen gegen Leerstand und Verfall, gegen den Verlust von Gewerbe und Handel, Schule und Gesundheitsversorgung. Die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse und ein angemessener Infrastrukturzugang (ÖPNV, Internet, Kultur) sind nicht mehr in ganz Deutschland gewährleistet.
Veränderte Grundeigentümerstrukturen:
In den Großtädten haben sich die Grundeigentumsverhältnisse stark verändert. Auch, wenn nach wie vor ein Großteil des Grundbesitzes in der Hand privater Eigentümer ist, bestimmen Finanzinvestoren, Fonds und Aktiengesellschaften die städtischen Immobilienpreise und Wohnungsmärkte. Die explodierenden städtische Bodenpreise (München: 1950 bis 2016: 36000% i.W.: sechsunddreisigtausend) dienen heute der schnellen und maximalen Kapitalverwertung per Spekulation. Das gefährdet u.a. die altersgerechte und energetische Modernisierung des städtebaulich wertvollen Gebäudebestandes. Außerdem resultiert aus den aggressiven Preissteigerungen die zunehmende Verdrängung von ganzen Bevölkerungsgruppen aus ihren angestammten Wohngebieten (Gentrifizierung). Sie müssen auf bezahlbaren, oft minderwertigen Wohnraum fern der urbanen Zentren ausweichen. Hier besteht die Gefahr von Ghettobildung und Parallelgesellschaften. Der Wohnungsmarkt muss wieder den Händen der anonymen Investoren entzogen und in breitere Hände gestreut werden, um diesem quasi-feudalen Systems entgegenzuwirken.
Landgrabbing:
In ländlichen Regionen, insbesondere in Ostdeutschland, wird im großem Umfang mit Landwirtschaftsflächen spekuliert. Die Zahl der inhaberbetriebenen Agrarbetriebe sinkt. Die Zahl der Großbetriebe mit Monokulturen und Massentierhaltung steigt. Auf Länderebene kann man hier das Grundstücksverkehrsgesetzen als Begrenzungsinstrumente nutzen. Das von den Grünen in Niedersachsen und Brandenburg entwickelte Agrarstrukturgesetze wäre eine gute Grundlage für eine bundeseinheitliche Lösung. (BAG Landwirtschaft)
Ungleiche Relation von Einkommens- und Mietenentwicklung:
Während die Lohnentwicklung sich bis 2010 zwischen Null und höchstens 3% brutto bewegte, seit 2011 zwischen 3 und 4%, gewährt das Mietrecht prinzipiell 5% jährliche Nettomietsteigerung und setzt Neuvertragsmieter trotz Mietpreisbremse hohen Mietforderungen aus. Modernisierungen dürfen immer noch mit 11% auf die Mieten umgelegt werden. Die Investoren in den wachstumsstarken Regionen nutzen diesen gesetzlichen Rahmen zur Reditesteigerung. Die durchschnittliche Wohnkostenbelastung lag 1990 bei 20%, sie stieg bis 2015 auf 36% bruttowarm (Statistisches Bundesamt). Alleinstehende und Haushalte mit niedrigem Einkommen müssen vielfach zwischen 40 und 50% ihres Einkommens für das Wohnen ausgeben.
Die politische Privilegierung des Grundeigentums als Wirtschaftsgut verstärkt die gesellschaftlichen Ungleichheiten:
Der Staat fördert nicht nur das selbstgenutzte Wohneigentum einkommensstarker Schichten sondern bevorzugt größeres privates Immobilienvermögen und die gewerbliche Wohnungswirtschaft. Zugang zum deutschen Grundstücksmarkt haben nicht nur EU-Bürger sondern Investoren aus aller Welt, was auch dubiose Geschäftemacher*innen anzieht. Italienische Mafiosi, afrikanische Potentaten, russische und chinesische Oligarchen stecken ihre Gelder hier gerne in Core-Immobilien. Diese Gelder stammen meist aus illegalen Geschäften. Der Begünstigung des Grundeigentums im Steuer-, Miet-, Planungs- und Gesellschaftsrecht steht zu wenig Mitverantwortung für das Allgemeinwohl gegenüber. Aufgabe des Gesetzgebers wäre Art.14 (2) GG umzusetzen.
Die Vermögensumverteilung von unten und vom Staat nach oben muss beendet werden. Darüber hinaus sollte auch die unangemessene Vermögensungleichverteilung, die auf dem Immobilienmarkt entstanden ist, soweit wie möglich zurückentwickelt werden, um die vielbeklagte „Schere zwischen arm und reich“ wieder schließen zu können.
Das geht vermutlich nur auf dem Weg einer Vermögenssteuer. Diese sollte gezielt ungerechtfertigte Vermögensgewinne abschöpfen, und nicht pauschal als Neidsteuer postuliert werden, damit sie als gerechte Umverteilung gesellschaftlich akzeptiert werden kann. Daher sollte das Modell einer qualifizierten Vermögenssteuer in Betracht gezogen werden, die nur Vermögen belastet, dessen Erwerb noch nicht versteuert wurde (also z.B. Spekulationsgewinne, verjährte Steuerhinterziehungen, etc.) und somit Doppelbesteuerung vermeidet. Dieser Vermögenssteuer müssten nicht nur Personen unterliegen, sondern auch Immobilien, die sich im Auslandsbesitz befinden.
Die steuerrechtliche Privilegierung von Erträgen aus Grundeigentum muss eingeschränkt werden. Veräußerungsgewinne aus privatem Immobilienvermögen, das über das selbstgenutzte Wohneigentum hinausgeht, sind angemessen zu besteuern. Wohnungsunternehmen, die keiner Gemeinwohlverpflichtung unterliegen, dürfen nicht länger von der Gewerbesteuer befreit werden. Die steuerliche Abschreibung von spekulativem Leerstand muss eingeschränkt werden.
Die Grund- und Grunderwerbssteuer sind praktikabel, sozial, ökologisch und ökonomisch ausgewogen zu gestalten. Die Umlagefähigkeit von Steuern auf Grund und Boden wollen wir auf den Prüfstand stellen, so dass diese nicht weiter als Betriebskosten auf die Miete umgelegt werden, da sie bereits mit der Miete bezahlt worden ist. Es ist klar, dass hierzu Übergangsregelungen erforderlich sind um Härten zu vermeiden.
Das Vererben und Schenken von Grundeigentum über den Eigenbedarf hinaus muss angemessener besteuert werden als bislang, um die Chancengleichheit zu erhöhen. Der Erwerb oder Tausch von selbstgenutztem Eigentum sollte dagegen (im begrenztem durchschnittlichem Umfang) von der Grunderwerbssteuer befreit werden, um eine bedarfsgerechte Nutzung von Eigentum durch finanzielle Entlastung einer Veränderung zu fördern.
Falsche Wohnungs- und Liegenschaftspolitik:
Die Wohnungsgemeinnützigkeit wurde 1989 abgeschafft. Die Bindungen der Sozialwohnungsbestände sind überwiegend ausgelaufen. Viele öffentliche Wohnungsbestände wurden an Finanzinvestoren verkauft. Überschuldete Kommunen haben oft auch ihre Grundstücke nach Höchstpreisverfahren privatisiert ebenso wie der Bund dies tut. Nicht nur Niedrigzinsen sondern auch das Mietrecht und das Recht auf Eigentumsumwandlung forcieren den Run auf die Kapitalverwertung städtischer Immobilien. Das Sichern und Schaffen von bezahlbaren und sozial gebundenen Wohnungen in den wachstumsstarken Stadtregionen wird eine Daueraufgabe. Wir wollen eine Neue Wohngemeinnützigkeit: https://www.vdw-rw.de/fileadmin/publikationen/Gutachten/Gutachten_Spars_VdW-RW_komplett.pdf
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2016/kw15-de-wohnungswirtschaft/417582
Die Förderung des langfristig und dauerhaft sozial gebundenen Wohnungsbaus ist als Daueraufgabe für alle wachstumsstarken Städte und Kommunen unabdingbar. Ebenso wie die Förderung von energetischer Modernisierung und Barrierefreiheit. Dies muss mit klaren Sozial- und Mietbindungen verknüpft werden. Die Einführung einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit ist von großer Bedeutung. Sie hat aber die Einschränkung der derzeitigen Steuervorteile für gewerbliche Wohnungsunternehmen zur Voraussetzung.
Grundsätzlich gilt: Bei allen Instrumenten sollte nicht schematisch auf private Immobilienverwertungsrechte versus kommunale, gleich soziale und gemeinnützige Wohnungswirtschaft gesetzt werden sondern auf (kleinteilige) Eigentümervielfalt, Vielfalt der Wohn- und Lebensformen, soziale Mischung und Nutzungsmischung. Denn dies zusammen mit guter Infrastruktur, Stadtnatur, Spiel, Sport und Erholung macht urbanes Leben aus.
Die Liegenschaftspolitik der öffentlichen Hände muss grundlegend geändert werden. Der dauerhafte Gebrauchswert von Grund und Boden ist nicht nur gesellschaftlich, sondern auch ökonomisch viel größer als der kurzfristig erzielbare Marktwert. Statt Ausverkauf von öffentlichen Grundstücken, Wohnungsbeständen und Wohnungsunternehmen setzen wir auf:
- den Aufbau von kommunalen, landes- und bundeseigenen Bodenfonds;
- die Vergabe von Bodennutzungsrechten ausschließlich durch Erbbaurechte,
- die Grundstücksvergabe nach Konzeptverfahren, bei denen städtebauliche, ökologische, soziale und kulturelle Kriterien sowie die Stärkung von kleinen und mittleren Unternehmen Vorrang haben vor dem erzielbaren Erbbauzins,
- die Stärkung der kommunalen Vorkaufsrechte,
- die Verpflichtung öffentlicher Unternehmen, Grundstücke, für die sie
- keinen Bedarf haben, zum Verkehrswert dem Bodenfonds ihres öffentlichen Eigentümers oder dem jeweiligen kommunalen Bodenfonds zum Vorkauf anzubieten.
Der Verlust der sozialen und städtebaulichen Steuerungsfähigkeit von Städten und Kommunen
Viele Städte und Gemeinden sind anhaltend finanz- und handlungsschwach. Das neoliberale Prinzip des „schlanken Staats“ hat zum Ausverkauf elementarer öffentlicher Gemeingüter geführt und kommunale Handlungsspielräume eingeschränkt. Investoren nutzen den Boden zur Kapitalverwertung, ohne einen angemessenen Beitrag zu den kommunalen Infrastrukturen und zum Gemeinwohl zu leisten. Es geht darum, staatliche und kommunale Handlungsfähigkeiten zurückzugewinnen und von der Immobilienwirtschaft zu orientieren und einzufordern. Eine Gemeindefinanzreform, die den Kommunen mehr Chancen auf mehr eigenständige Steuereinnahmen ermöglicht, ist überfällig.
Das kommunale Planungsrecht (BauGB) ist fortzuschreiben. Grundeigentümer sollen der Kommune Teile der planungsrechtlichen Bodenwertsteigerung für Investitionen in die sozialen Infrastrukturen abgeben. Bodenwertsteigerungen und deren Abschöpfung sollten in einem transparenten bundesweit einheitlicherem Verfahren geregelt werden - auch um die Korruption mit intransparenten städtebaulichen Verträgen zu begrenzen. Bei Wohnungsbauvorhaben muss die Kommune auch das Recht haben, die Bauherren zu verpflichten, anteilig öffentlich geförderte Sozialwohnungen und/oder privat finanzierte bezahlbare Wohnungen zu erstellen.
Zu geringe Fortschritte beim Boden-, Umwelt- und Klimaschutz:
Die wichtigsten ökologischen Anforderungen an Gebäudebestand und Neubau, Städte- und Siedlungsbau sind die Senkung des Siedlungsflächenverbrauchs, die Optimierung der Energieeffizienz bei Bestand und Neubau und der Einsatz von gesunden, umwelt- und klimaschützenden Baustoffen, Bautechniken und regenerativen Energien.
Das Bauwesen ist für ca. 40% der Treibhausgasemissionen verantwortlich und allein durch unsere Flächeninanspruchnahme verfehlen wir die selbstgesteckten Nachhaltigkeitsziele
Die Siedlungsflächeninanspruchnahme für Gebäude, Infrastruktur und Rohstoffabbau muss eingeschränkt werden. Dafür könnte die Ausweisung von neuem Bauland auf Agrar- und Naturflächen mit der Verpflichtung zur entsprechenden Renaturierung von Boden andernorts verbunden werden. Damit würde der naturschutzrechtliche Ausgleich ergänzt und deutlich ausgeweitet. Wir wollen eine angemessene und schonende Innenverdichtung in den besiedelten Bereichen organisieren. Hierzu sind Instrumente der Bauflächenaktivierung in partizipativen Verfahren einzuführen. Hierzu schlagen wir eine grundlegende Reform des Baugesetzbuches (BauGB) und der Baunutzungsverordnung (BauNVO) vor.
Ein „Baukindergeld“ sollte es – wenn überhaupt – ausschließlich für die Erneuerung und Nachnutzung von bestehenden Wohnungen und Gebäuden geben, nicht für die weitere Zersiedlung von Agrar- und Naturland durch Neubauten. Die Förderung von Ersatzneubau für Nachkriegsbauten mit schlechter Bausubstanz ist sicher eine Überlegung wert.
Die Anforderungen an ökologisches Planen und Bauen stärken. Die Möglichkeiten, Bebauungspläne, Satzungen und Baugenehmigungen mit klimaschützenden, umwelt- und gesundheitsverträglichen Bauinvestitionen zu verbinden, müssen erweitert werden. Dies betrifft die Landesbauordnungen (LBO), die Musterbauordnung (MBO) und das BauGB sowie die von ihnen eröffneten Spielräume für die Kommunen gleichermaßen.
Die energetische Gebäudemodernisierung vorantreiben. Hier muss es endlich verbindliche Zielvorgaben zur CO2-Neutralität bis spätestens 2050 geben. 30 Jahre sind ein angemessener Erneuerungszyklus für Bauinvestitionen, auch für den Gebäudebestand. Aber bei längerem Zuwarten läuft uns die Zeit davon!
Umsetzungspfad für eine bessere Planungs-, Bau- und Wohnungspolitik im Grundsatzprogrammprozess (Baukulturwerkstatt)
Eine umsichtige Baukultur ist die umsorgende Voraussetzung für Menschen, ihre Würde und Freiheit zu spüren und zu leben – Baukultur ist eine Basis für die inklusive und solidarische Gesellschaft, die wir wollen. Sich aktiv und umfassend für eine umsichtige Baukultur einzusetzen, gehört für uns zur unabdingbaren Basis eines achtsamem Umgangs mit der Umwelt und eines lebens- und liebeswerten Miteinander in einer lebendigen Demokratie. Das Konzept der Baukultur, wie es in der Europäischen Deklaration von Davos im Januar 2018 erneut skizziert wurde, umfasst alle Facetten der vom Mensch gestalteten Umwelt. Es ist eine klare Aufforderung, Baukultur nicht mit ästhetisches Eskapismus einer bürgerlichen Minderheit oder wirtschaftlich unrentabler Liebhaberei zu verwechseln:
„Hohe Baukultur verstärkt unsere Verbundenheit mit dem Ort. Sie ermöglicht der Bevölkerung die Identifikation mit ihrem Umfeld, fördert eine inklusive und solidarische Gesellschaft, wirkt Diskriminierung und Radikalisierung entgegen und unterstützt Integration und Bürgerbewusstsein. Hohe Baukultur fördert dynamische und vielfältig genutzte Quartiere. Sie schafft eine gebaute Umwelt, die zeitgemäße kulturelle Ausdrucksformen aufgreift und gleichzeitig das Kulturerbe respektiert. Sie gewährleistet nachhaltige Lebensbedingungen und stärkt die soziale Resilienz, indem sie angemessenen, bezahlbaren und erreichbaren Wohnraum schafft.“ https://davosdeclaration2018.ch/programme/
Da das Konzept der Baukultur in unserer Partei und unserer Gesellschaft noch zu wenig bekannt ist und der politische Gestaltungsraum für die Baukultur und ihr Partizipationspotenzial noch zu wenig genutzt wird, möchten wir im Rahmen des GSP-Prozesses eine Baukulturwerkstatt mit der Bundesstiftung Baukultur durchführen. Ziel ist es den Zusammenhang zwischen einer wehrhaften Demokratie, hoher Lebensqualität, Umgang mit Ressourcen Natur und Umwelt, Partizipation und guter Baukultur klar herauszuarbeiten und so als Beitrag für das GSP vorzubereiten.
Änderungsanträge
- A3-001 (Teresa (BAG), Eingereicht)
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