erfolgt mündlich
Antrag: | Positionspapier zum Schwerpunkt Boden- und Wohnungspolitik für das bündnisgrüne Grundsatzprogramm |
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Antragsteller*in: | Chris Kühn + Julia Gerometta |
Status: | Behandelt |
Eingereicht: | 21.02.2019, 11:46 |
Antrag: | Positionspapier zum Schwerpunkt Boden- und Wohnungspolitik für das bündnisgrüne Grundsatzprogramm |
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Antragsteller*in: | Chris Kühn + Julia Gerometta |
Status: | Behandelt |
Eingereicht: | 21.02.2019, 11:46 |
Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse und des Zugangs zu Infrastruktur ist nicht mehr gegeben. Viele Menschen fühlen sich alleingelassen. Diese Entwicklung ist auch eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie muss gestoppt werden. Wir Grüne streben deshalb eine räumliche Grundsicherung für alle Regionen an, mit der ein Mindestmaß an Internetzugang, Mobilität durch ÖPNV und Gesundheitsversorgung gewährleistet werden soll.
A. International vereinbarter Zielkanon
Mit der Agenda 2030 wurden im Jahr 2015 von der internationalen
Staatengemeinschaft 17 Nachhaltigkeitsziele vereinbart. Das Nachhaltigkeitsziel
11 (Sustainable Development Goal, SDG 11) zielt darauf ab, Städte und
menschliche Siedlungen bis 2030 inklusiv, sicher, widerstandsfähig und
nachhaltig zu gestalten. Dazu gehört u.a. den Zugang zu angemessenem, sicherem
und bezahlbarem Wohnraum für alle sicherzustellen, den Flächenverbrauch zu
beschränken (in Deutschland auf unter 30 ha pro Tag bis 2030) und den
Ressourcenverbrauch sowie Treibhausgas- Emittenten auf lokaler Ebene zu senken.
Im Grundsatzprogramm sollten die unten aufgeführten Grundsätze zur Boden- und
Wohnungspolitik verankert werden, um aktuellen Fehlentwicklungen
entgegenzuwirken.
B. Probleme und Fehlentwicklungen:
Die Wohnungsnot in deutschen Metropolen ist eines der großen sozialen Themen
unserer Zeit. Kapitalkonzentration und globalisierte Immobilienspekulation
forcieren soziale und räumliche Ungleichheiten. Das macht neue politische
Antworten in der Boden-, Wohnungs- und Mietenpolitiknotwendig. Denn immer höhere
Wohnkosten bei unsicheren Arbeitsplätzen, niedrigen Löhnen und Renten – das geht
gar nicht! Im Wesentlichen geht es um folgende Probleme:
Fortschreitende sozialräumliche Polarisierung: Wachstumsstarken
Großstadtregionen stehen strukturschwache Dörfer, Klein- und Mittelstädte
gegenüber. Die einen suchen Antworten auf Bevölkerungszuwachs, steigende Mieten
und Wohnungsbedarf. Die anderen kämpfen gegen Leerstand und Verfall, gegen den
Verlust von Gewerbe und Handel, Schule und Gesundheitsversorgung. Die
Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse und des Zugangs zu Infrastruktur ist
nicht mehr gegeben. Viele Menschen fühlen sich alleingelassen. Diese Entwicklung ist auch eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie muss gestoppt werden. Wir Grüne streben deshalb eine räumliche Grundsicherung für alle Regionen an, mit der ein Mindestmaß an Internetzugang, Mobilität durch ÖPNV und Gesundheitsversorgung gewährleistet werden soll.
Die globalen Finanzmärkte als Taktgeber für urbane Immobilienpreise: In den
großen Städten haben sich die Grundeigentumsverhältnisse stark verändert. Nach
wie vor ist ein Großteil des Grundeigentums in Privathand, wobei
Finanzinvestoren und Briefkastenfirmen, Fonds und Aktiengesellschaften in hohem
Maße Immobilienpreise und Wohnungsmarktentwicklung bestimmen. Gleichzeitig wird
in ländlichen Regionen, insbesondere in Ostdeutschland viel Spekulation mit
Landwirtschaftsflächen betrieben (Landgrabbing).
Die politische Privilegierung des Grundeigentums: Der Staat bevorzugt das
private Grundeigentum im Steuerrecht, Mietrecht und Planungsrecht. Auch haben
neben EU-Bürgern Investoren aus aller Welt Zugang zu den deutschen
Grundstücksmärkten. Der Begünstigung der Grundeigentümer steht zu wenig
Mitverantwortung für das Allgemeinwohl gegenüber, obwohl das Grundgesetz dies in
Artikel 14 (2) ausdrücklich fordert.
Die Schieflage von Einkommens- und Mietentwicklung: Mit der Fortschreibung der
Mietspiegelmieten und 15 bis 20% Mietsteigerung in drei Jahren gewährt der
Gesetzgeber den Eigentümern deutlich höhere Mietzuwächse als die allgemeine
Entwicklung von Löhnen und Lebenshaltungskosten. Wohnungssuchende werden
besonders hohen Mietforderungen ausgesetzt. Im Durchschnitt stieg die
Wohnkostenbelastung von 20% in 1990 auf 36% bruttowarm in 2015 (Statistisches
Bundesamt). Bedürftige Haushalte geben häufig 40% ihres Nettoeinkommens und mehr
für das Wohnen aus.
Falsche Wohnungs- und Liegenschaftspolitik: Die Wohnungsgemeinnützigkeit wurde
1990 abgeschafft. Die Bindungen der Sozialwohnungsbestände sind überwiegend
ausgelaufen. Bedeutende öffentliche Wohnungsbestände wurden an Finanzinvestoren
verkauft. Viele öffentliche Grundstücke wurden und werden immer noch nach
Höchstpreisverfahren privatisiert. Das Recht auf Eigentumsumwandlung forciert
die Kapitalverwertung städtischer Immobilien.
Kaum Fortschritte bei Bodenschutz, Umwelt- und Klimaschutz: Die wichtigsten
ökologischen Anforderungen an Gebäudebestand, neues Bauen, Städte- und
Siedlungsbau wie insbesondere die Senkung des Siedlungsflächenverbrauchs, die
Optimierung der Energieeffizienz bei Gebäudebestand und Neubau und der Einsatz
von umwelt- und klimaschützenden Baustoffen, Bautechniken und regenerativen
Energien treten seit Jahren auf der Stelle.
Der Verlust der kommunalen Steuerungsfähigkeit: Das neoliberale Prinzip des
„schlanken Staats“ hat zum Ausverkauf elementarer öffentlicher Gemeingüter
geführt und die kommunalen Handlungsspielräume stark eingeschränkt. Investoren
verdrängen immer mehr Mieter aus den Innenstädten und nutzen den Boden zur
Kapitalverwertung, ohne einen angemessenen Beitrag zu den kommunalen
Infrastrukturen, zum Umweltschutz und zum Gemeinwohl zu leisten.
BauenBauenBauen als Lösung? Die Verbände der Immobilienwirtschaft reduzieren die
Wohnungsfrage auf rein quantitativen Neubaubedarf und schieben die Verantwortung
einseitig ab auf Staat und Kommunen. Sie rufen nach mehr Baulandausweisung, mehr
Bausubventionen und vereinfachte Baurechte. Sicherlich brauchen Städte und
Wachstumsregionen den Bau von deutlich mehr bezahlbaren Neubauwohnungen. Dabei
sollte nicht nur neuer Wohnraum, sondern lebenswerte, sozial ausgewogene und
ökologische Stadtteile entstehen. Die Hauptlast der Wohnversorgung bleibt jedoch
immer beim Gebäudebestand. Den 285.000 in 2017 neu gebauten Wohnungen stehen 42
Millionen Bestandwohnungen gegenüber. Verantwortliche Wohnungs- und Bodenpolitik
darf darum nicht nur auf neues Bauen setzen, sondern muss ebenso auf ökologische
und sozialverträgliche Maßnahmen für den Bestand setzen .
C. Was folgt daraus für bündnisgrüne Grundsätze und konkrete Schritte?
Es geht darum, staatliche und kommunale Handlungsfähigkeiten zurückzugewinnen
und von der Immobilienwirtschaft mehr Gemeinwohlorientierung, Umwelt- und
Sozialverantwortung einzufordern. Dazu müssen wir die politische Diskussion um
die Sozialpflichtigkeit des Grundeigentumsoffensiv führen und teilweise sehr
grundlegende Reformen für das Bodenrecht und das Wohnungs- und Mietrecht
erarbeiten. Die wichtigsten Handlungsfelder sind:
Erstens zur Bodenpolitik:
Zweitens zur Wohnungs- und Mietenpolitik:
Wohnungsmärkte müssen so gestaltet werden, dass sich Mieten und Immobilienpreise
im Rahmen der allgemeinen Einkommens- und Inflationsentwicklung bewegen. Bei
einem Mieteranteil von 60% in der BRD ist dazu ein starkes Mietrecht gefordert.
Das Mietrecht und das Recht auf Eigentumsumwandlung sollten so reformiert
werden, dass Mieterhöhungen und Mietspiegelerhebung, Modernisierungsumlagen und
Neuvertragsmieten nicht als Immobilienpreistreiber wirken.
erfolgt mündlich
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