Antrag: | Positionspapier zum Schwerpunkt Boden- und Wohnungspolitik für das bündnisgrüne Grundsatzprogramm |
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Antragsteller*in: | Julia Gerometta |
Status: | Behandelt |
Eingereicht: | 21.02.2019, 12:20 |
A4NEU-160: Positionspapier zum Schwerpunkt Boden- und Wohnungspolitik für das bündnisgrüne Grundsatzprogramm
Antragstext
Von Zeile 159 bis 163:
- Um die energetische Gebäudemodernisierung voranzutreiben, müssen hier endlich verbindliche Zielvorgaben zur CO2-Neutralität bis
spätestens 2050 vorgegeben werden. 30 Jahre sind ein angemessener Erneuerungszyklus für Bauinvestitionen, auch für den Gebäudebestand. Aber bei längerem Zuwarten läuft uns die Zeit davon!2040 in Gebäuden und beim Wohnen vorgegeben werden. Durch den verpflichtenden Einsatz von erneuerbarer Wärme und Strom im Neubau und im Bestand, und mindestens den Effizienzhaus 40 oder Passivhaus-Standard beim Neubau. Durch sozial verträgliche energetische Modernisierung, ohne Verdrängung der Bewohner*innen und möglichst warmmietenneutral. Mit Unterstützung durch Zielgruppen genaue öffentliche Förderung und Beteiligung. Mit gut geplanten Lösungen für ganze Stadtquartiere, und digital unterstützt.
A. International vereinbarter Zielkanon
Mit der Agenda 2030 wurden im Jahr 2015 von der internationalen
Staatengemeinschaft 17 Nachhaltigkeitsziele vereinbart. Das Nachhaltigkeitsziel
11 (Sustainable Development Goal, SDG 11) zielt darauf ab, Städte und
menschliche Siedlungen bis 2030 inklusiv, sicher, widerstandsfähig und
nachhaltig zu gestalten. Dazu gehört u.a. den Zugang zu angemessenem, sicherem
und bezahlbarem Wohnraum für alle sicherzustellen, den Flächenverbrauch zu
beschränken (in Deutschland auf unter 30 ha pro Tag bis 2030) und den
Ressourcenverbrauch sowie Treibhausgas- Emittenten auf lokaler Ebene zu senken.
Im Grundsatzprogramm sollten die unten aufgeführten Grundsätze zur Boden- und
Wohnungspolitik verankert werden, um aktuellen Fehlentwicklungen
entgegenzuwirken.
B. Probleme und Fehlentwicklungen:
Die Wohnungsnot in deutschen Metropolen ist eines der großen sozialen Themen
unserer Zeit. Kapitalkonzentration und globalisierte Immobilienspekulation
forcieren soziale und räumliche Ungleichheiten. Das macht neue politische
Antworten in der Boden-, Wohnungs- und Mietenpolitiknotwendig. Denn immer höhere
Wohnkosten bei unsicheren Arbeitsplätzen, niedrigen Löhnen und Renten – das geht
gar nicht! Im Wesentlichen geht es um folgende Probleme:
Fortschreitende sozialräumliche Polarisierung: Wachstumsstarken
Großstadtregionen stehen strukturschwache Dörfer, Klein- und Mittelstädte
gegenüber. Die einen suchen Antworten auf Bevölkerungszuwachs, steigende Mieten
und Wohnungsbedarf. Die anderen kämpfen gegen Leerstand und Verfall, gegen den
Verlust von Gewerbe und Handel, Schule und Gesundheitsversorgung. Die
Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse und des Zugangs zu Infrastruktur ist
nicht mehr gegeben.
Die globalen Finanzmärkte als Taktgeber für urbane Immobilienpreise: In den
großen Städten haben sich die Grundeigentumsverhältnisse stark verändert. Nach
wie vor ist ein Großteil des Grundeigentums in Privathand, wobei
Finanzinvestoren und Briefkastenfirmen, Fonds und Aktiengesellschaften in hohem
Maße Immobilienpreise und Wohnungsmarktentwicklung bestimmen. Gleichzeitig wird
in ländlichen Regionen, insbesondere in Ostdeutschland viel Spekulation mit
Landwirtschaftsflächen betrieben (Landgrabbing).
Die politische Privilegierung des Grundeigentums: Der Staat bevorzugt das
private Grundeigentum im Steuerrecht, Mietrecht und Planungsrecht. Auch haben
neben EU-Bürgern Investoren aus aller Welt Zugang zu den deutschen
Grundstücksmärkten. Der Begünstigung der Grundeigentümer steht zu wenig
Mitverantwortung für das Allgemeinwohl gegenüber, obwohl das Grundgesetz dies in
Artikel 14 (2) ausdrücklich fordert.
Die Schieflage von Einkommens- und Mietentwicklung: Mit der Fortschreibung der
Mietspiegelmieten und 15 bis 20% Mietsteigerung in drei Jahren gewährt der
Gesetzgeber den Eigentümern deutlich höhere Mietzuwächse als die allgemeine
Entwicklung von Löhnen und Lebenshaltungskosten. Wohnungssuchende werden
besonders hohen Mietforderungen ausgesetzt. Im Durchschnitt stieg die
Wohnkostenbelastung von 20% in 1990 auf 36% bruttowarm in 2015 (Statistisches
Bundesamt). Bedürftige Haushalte geben häufig 40% ihres Nettoeinkommens und mehr
für das Wohnen aus.
Falsche Wohnungs- und Liegenschaftspolitik: Die Wohnungsgemeinnützigkeit wurde
1990 abgeschafft. Die Bindungen der Sozialwohnungsbestände sind überwiegend
ausgelaufen. Bedeutende öffentliche Wohnungsbestände wurden an Finanzinvestoren
verkauft. Viele öffentliche Grundstücke wurden und werden immer noch nach
Höchstpreisverfahren privatisiert. Das Recht auf Eigentumsumwandlung forciert
die Kapitalverwertung städtischer Immobilien.
Kaum Fortschritte bei Bodenschutz, Umwelt- und Klimaschutz: Die wichtigsten
ökologischen Anforderungen an Gebäudebestand, neues Bauen, Städte- und
Siedlungsbau wie insbesondere die Senkung des Siedlungsflächenverbrauchs, die
Optimierung der Energieeffizienz bei Gebäudebestand und Neubau und der Einsatz
von umwelt- und klimaschützenden Baustoffen, Bautechniken und regenerativen
Energien treten seit Jahren auf der Stelle.
Der Verlust der kommunalen Steuerungsfähigkeit: Das neoliberale Prinzip des
„schlanken Staats“ hat zum Ausverkauf elementarer öffentlicher Gemeingüter
geführt und die kommunalen Handlungsspielräume stark eingeschränkt. Investoren
verdrängen immer mehr Mieter aus den Innenstädten und nutzen den Boden zur
Kapitalverwertung, ohne einen angemessenen Beitrag zu den kommunalen
Infrastrukturen, zum Umweltschutz und zum Gemeinwohl zu leisten.
BauenBauenBauen als Lösung? Die Verbände der Immobilienwirtschaft reduzieren die
Wohnungsfrage auf rein quantitativen Neubaubedarf und schieben die Verantwortung
einseitig ab auf Staat und Kommunen. Sie rufen nach mehr Baulandausweisung, mehr
Bausubventionen und vereinfachte Baurechte. Sicherlich brauchen Städte und
Wachstumsregionen den Bau von deutlich mehr bezahlbaren Neubauwohnungen. Dabei
sollte nicht nur neuer Wohnraum, sondern lebenswerte, sozial ausgewogene und
ökologische Stadtteile entstehen. Die Hauptlast der Wohnversorgung bleibt jedoch
immer beim Gebäudebestand. Den 285.000 in 2017 neu gebauten Wohnungen stehen 42
Millionen Bestandwohnungen gegenüber. Verantwortliche Wohnungs- und Bodenpolitik
darf darum nicht nur auf neues Bauen setzen, sondern muss ebenso auf ökologische
und sozialverträgliche Maßnahmen für den Bestand setzen .
C. Was folgt daraus für bündnisgrüne Grundsätze und konkrete Schritte?
Es geht darum, staatliche und kommunale Handlungsfähigkeiten zurückzugewinnen
und von der Immobilienwirtschaft mehr Gemeinwohlorientierung, Umwelt- und
Sozialverantwortung einzufordern. Dazu müssen wir die politische Diskussion um
die Sozialpflichtigkeit des Grundeigentumsoffensiv führen und teilweise sehr
grundlegende Reformen für das Bodenrecht und das Wohnungs- und Mietrecht
erarbeiten. Die wichtigsten Handlungsfelder sind:
Erstens zur Bodenpolitik:
- Grundeigentumsverhältnisse müssen transparent sein. Für die Öffentlichkeit
muss nachvollziehbar sein, wer als Eigentümer über eine Immobilie verfügt
und nicht nur, wie die für das Grundstück gebildete Gesellschaft firmiert.
Steuerhinterziehung und anonymisiertes, in Briefkästen verstecktes
Grundeigentum muss unterbunden werden.
- Die steuerliche Privilegierung des Grundeigentums muss eingeschränkt
werden. Über das selbstgenutzte Wohneigentum hinausgehende
Veräußerungsgewinne aus privatem Immobilienvermögen sind wie andere
Einkommen zu besteuern. Wohnungsunternehmen, die keiner
Gemeinwohlverpflichtung unterliegen, dürfen nicht länger von der
Gewerbesteuer befreit werden. Die steuerliche Abschreibung von
spekulativem Leerstand muss eingeschränkt werden. Die Grundsteuer soll auf
dem Bodenwert basieren und darf nicht mehr als Betriebskosten auf die
Miete umgelegt werden. Sie wird bereits mit der Miete entgolten. Das Erben
und Schenken von Grundeigentum ist angemessen zu besteuern.
- Das kommunale Planungsrecht im Baugesetzbuch muss reformiert werden. Die
Kommunen müssen das Recht erhalten, planungsrechtlich geschaffene
Bodenwertsteigerungen abzuschöpfen für Investitionen in Infrastruktur,
Umweltschutz und soziales Wohnen. Auch muss das kommunale Vorkaufsrecht
auf das gesamte Gemeindegebiet erweitert und verbessert werden.
- Der Siedlungsflächenverbrauch muss eingeschränkt werden – sowohl in den
Metropolen als auch im ländlichen Raum. Dafür könnte als Ergänzung zum
naturschutzrechtlichen Ausgleich die Ausweisung von neuem Bauland auf
Agrar- und Naturflächen mit der Verpflichtung zur entsprechenden
Entsiegelung und Renaturierung von Boden andernorts verbunden werden, z.B.
in strukturschwachen Regionen. So würde der naturschutzrechtliche
Ausgleich ergänzt und deutlich ausgeweitet. Gleichzeitig soll die
angemessene Innenverdichtung in den besiedelten Bereichen erleichtert
werden.
- Die Liegenschaftspolitik der öffentlichen Hände und der öffentlichen
Unternehmen muss grundlegend geändert werden. Statt Ausverkauf von
öffentlichen Grundstücken und Gebäuden ebenso wie von öffentlichen
Wohnungsunternehmen geht es um
- den Aufbau von kommunalen, landes- und bundeseigenen Bodenfonds;
- die Vergabe von Bodennutzungsrechten ausschließlich durch
Erbbaurechte, - die Vergabe von Erbbaurechten als Konzeptverfahren nach
städtebaulichen, ökologischen, sozialen und kulturellen Kriterien
und dem Ziel der Stärkung von kleinen und mittleren Unternehmen, - die Verpflichtung öffentlicher Unternehmen, Grundstücke, für die sie
keinen Bedarf haben, an den Bodenfonds ihres öffentlichen
Eigentümers oder den jeweiligen kommunalen Bodenfonds zum
Verkehrswert zu verkaufen. - Die schnellstmögliche Vergabe kommunaler Grundstücke an
gemeinwohlorientierte Gesellschaften und Genossenschaften zum Bau
von sozial gebundenen Wohnungen.
Zweitens zur Wohnungs- und Mietenpolitik:
Wohnungsmärkte müssen so gestaltet werden, dass sich Mieten und Immobilienpreise
im Rahmen der allgemeinen Einkommens- und Inflationsentwicklung bewegen. Bei
einem Mieteranteil von 60% in der BRD ist dazu ein starkes Mietrecht gefordert.
Das Mietrecht und das Recht auf Eigentumsumwandlung sollten so reformiert
werden, dass Mieterhöhungen und Mietspiegelerhebung, Modernisierungsumlagen und
Neuvertragsmieten nicht als Immobilienpreistreiber wirken.
- Auch kleine und mittlere Unternehmen und soziokulturelle Projekte brauchen
Mieterschutz. Dafür sollten – zumindest für größere Städte -
Gewerbemietspiegel analog zum Wohnungsmietrecht eingeführt werden.
Alternativ ist auch das französische Gewerbemietrecht denkbar, das
Gewerbemietern besseren Schutz vor Mieterhöhungen und Kündigungen bietet.
- Die Förderung des langfristig und dauerhaft sozial gebundenen Wohnungsbaus
ist als Daueraufgabe für alle wachstumsstarken Städte und Kommunen
unabdingbar ebenso wie die Förderung von energetischer Modernisierung und
Barrierefreiheit. Dies muss mit klaren Sozialbindungen verknüpft werden.
- Die Einführung einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit ist von großer
Bedeutung. Sie hat die Einschränkung der derzeitigen Steuervorteile für
gewerbliche Wohnungsunternehmen zur Voraussetzung.
- Die Rechtsgrundlagen zur Sicherung von bezahlbaren Wohnungsbeständen sind
zu vereinfachen, auszuweiten und zu stärken. Dies gilt insbesondere für
eine wirksame Mietpreisbremse, für den Milieuschutz, für das Verbot der
Zweckentfremdung und für die Einschränkung der Umwandlung von bestehenden
Mietwohnhäusern in Eigentumswohnungen.
- Die Kosten der Unterkunft im Rahmen der Förderung von sozialer
Grundsicherung und das Wohngeld sind regelmäßig der Mieten- und
Wohnkostenentwicklung entsprechend anzupassen. Die wachsende Zahl der
Obdachlosen braucht auch endlich menschenwürdige Unterkünfte.
- Um die energetische Gebäudemodernisierung voranzutreiben, müssen hier
endlich verbindliche Zielvorgaben zur CO2-Neutralität bis spätestens 2050
vorgegeben werden. 30 Jahre sind ein angemessener Erneuerungszyklus für
Bauinvestitionen, auch für den Gebäudebestand. Aber bei längerem Zuwarten
läuft uns die Zeit davon!2040 in Gebäuden und beim Wohnen vorgegeben werden. Durch den verpflichtenden Einsatz von erneuerbarer Wärme und Strom im Neubau und im Bestand, und mindestens den Effizienzhaus 40 oder Passivhaus-Standard beim Neubau. Durch sozial verträgliche energetische Modernisierung, ohne Verdrängung der Bewohner*innen und möglichst warmmietenneutral. Mit Unterstützung durch Zielgruppen genaue öffentliche Förderung und Beteiligung. Mit gut geplanten Lösungen für ganze Stadtquartiere, und digital unterstützt.
- Die Bauordnungen müssen verbindliche Vorgaben für klimaschützende und
umweltverträgliche Baumaßnahmen machen.
- Für eine nachhaltige Stadtentwicklung gilt: Es sollte nicht schematisch
auf Privatinvestoren versus kommunale Wohnungswirtschaft gesetzt werden,
sondern auch auf kleinteilige Eigentümervielfalt, auf Vielfalt der Wohn-
und Lebensformen, soziale Mischung, Nutzungsmischung. Notwendig sind auch
transparente Planungsverfahren und überzeugende Bürger- und
Nachbarschaftsbeteiligung. Dies alles zusammen mit guter Infrastruktur,
nachhaltiger Mobilität, Stadtnatur, Spiel, Sport, Kultur und Erholung
macht urbanes Leben aus.
Von Zeile 159 bis 163:
- Um die energetische Gebäudemodernisierung voranzutreiben, müssen hier endlich verbindliche Zielvorgaben zur CO2-Neutralität bis
spätestens 2050 vorgegeben werden. 30 Jahre sind ein angemessener Erneuerungszyklus für Bauinvestitionen, auch für den Gebäudebestand. Aber bei längerem Zuwarten läuft uns die Zeit davon!2040 in Gebäuden und beim Wohnen vorgegeben werden. Durch den verpflichtenden Einsatz von erneuerbarer Wärme und Strom im Neubau und im Bestand, und mindestens den Effizienzhaus 40 oder Passivhaus-Standard beim Neubau. Durch sozial verträgliche energetische Modernisierung, ohne Verdrängung der Bewohner*innen und möglichst warmmietenneutral. Mit Unterstützung durch Zielgruppen genaue öffentliche Förderung und Beteiligung. Mit gut geplanten Lösungen für ganze Stadtquartiere, und digital unterstützt.
A. International vereinbarter Zielkanon
Mit der Agenda 2030 wurden im Jahr 2015 von der internationalen
Staatengemeinschaft 17 Nachhaltigkeitsziele vereinbart. Das Nachhaltigkeitsziel
11 (Sustainable Development Goal, SDG 11) zielt darauf ab, Städte und
menschliche Siedlungen bis 2030 inklusiv, sicher, widerstandsfähig und
nachhaltig zu gestalten. Dazu gehört u.a. den Zugang zu angemessenem, sicherem
und bezahlbarem Wohnraum für alle sicherzustellen, den Flächenverbrauch zu
beschränken (in Deutschland auf unter 30 ha pro Tag bis 2030) und den
Ressourcenverbrauch sowie Treibhausgas- Emittenten auf lokaler Ebene zu senken.
Im Grundsatzprogramm sollten die unten aufgeführten Grundsätze zur Boden- und
Wohnungspolitik verankert werden, um aktuellen Fehlentwicklungen
entgegenzuwirken.
B. Probleme und Fehlentwicklungen:
Die Wohnungsnot in deutschen Metropolen ist eines der großen sozialen Themen
unserer Zeit. Kapitalkonzentration und globalisierte Immobilienspekulation
forcieren soziale und räumliche Ungleichheiten. Das macht neue politische
Antworten in der Boden-, Wohnungs- und Mietenpolitiknotwendig. Denn immer höhere
Wohnkosten bei unsicheren Arbeitsplätzen, niedrigen Löhnen und Renten – das geht
gar nicht! Im Wesentlichen geht es um folgende Probleme:
Fortschreitende sozialräumliche Polarisierung: Wachstumsstarken
Großstadtregionen stehen strukturschwache Dörfer, Klein- und Mittelstädte
gegenüber. Die einen suchen Antworten auf Bevölkerungszuwachs, steigende Mieten
und Wohnungsbedarf. Die anderen kämpfen gegen Leerstand und Verfall, gegen den
Verlust von Gewerbe und Handel, Schule und Gesundheitsversorgung. Die
Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse und des Zugangs zu Infrastruktur ist
nicht mehr gegeben.
Die globalen Finanzmärkte als Taktgeber für urbane Immobilienpreise: In den
großen Städten haben sich die Grundeigentumsverhältnisse stark verändert. Nach
wie vor ist ein Großteil des Grundeigentums in Privathand, wobei
Finanzinvestoren und Briefkastenfirmen, Fonds und Aktiengesellschaften in hohem
Maße Immobilienpreise und Wohnungsmarktentwicklung bestimmen. Gleichzeitig wird
in ländlichen Regionen, insbesondere in Ostdeutschland viel Spekulation mit
Landwirtschaftsflächen betrieben (Landgrabbing).
Die politische Privilegierung des Grundeigentums: Der Staat bevorzugt das
private Grundeigentum im Steuerrecht, Mietrecht und Planungsrecht. Auch haben
neben EU-Bürgern Investoren aus aller Welt Zugang zu den deutschen
Grundstücksmärkten. Der Begünstigung der Grundeigentümer steht zu wenig
Mitverantwortung für das Allgemeinwohl gegenüber, obwohl das Grundgesetz dies in
Artikel 14 (2) ausdrücklich fordert.
Die Schieflage von Einkommens- und Mietentwicklung: Mit der Fortschreibung der
Mietspiegelmieten und 15 bis 20% Mietsteigerung in drei Jahren gewährt der
Gesetzgeber den Eigentümern deutlich höhere Mietzuwächse als die allgemeine
Entwicklung von Löhnen und Lebenshaltungskosten. Wohnungssuchende werden
besonders hohen Mietforderungen ausgesetzt. Im Durchschnitt stieg die
Wohnkostenbelastung von 20% in 1990 auf 36% bruttowarm in 2015 (Statistisches
Bundesamt). Bedürftige Haushalte geben häufig 40% ihres Nettoeinkommens und mehr
für das Wohnen aus.
Falsche Wohnungs- und Liegenschaftspolitik: Die Wohnungsgemeinnützigkeit wurde
1990 abgeschafft. Die Bindungen der Sozialwohnungsbestände sind überwiegend
ausgelaufen. Bedeutende öffentliche Wohnungsbestände wurden an Finanzinvestoren
verkauft. Viele öffentliche Grundstücke wurden und werden immer noch nach
Höchstpreisverfahren privatisiert. Das Recht auf Eigentumsumwandlung forciert
die Kapitalverwertung städtischer Immobilien.
Kaum Fortschritte bei Bodenschutz, Umwelt- und Klimaschutz: Die wichtigsten
ökologischen Anforderungen an Gebäudebestand, neues Bauen, Städte- und
Siedlungsbau wie insbesondere die Senkung des Siedlungsflächenverbrauchs, die
Optimierung der Energieeffizienz bei Gebäudebestand und Neubau und der Einsatz
von umwelt- und klimaschützenden Baustoffen, Bautechniken und regenerativen
Energien treten seit Jahren auf der Stelle.
Der Verlust der kommunalen Steuerungsfähigkeit: Das neoliberale Prinzip des
„schlanken Staats“ hat zum Ausverkauf elementarer öffentlicher Gemeingüter
geführt und die kommunalen Handlungsspielräume stark eingeschränkt. Investoren
verdrängen immer mehr Mieter aus den Innenstädten und nutzen den Boden zur
Kapitalverwertung, ohne einen angemessenen Beitrag zu den kommunalen
Infrastrukturen, zum Umweltschutz und zum Gemeinwohl zu leisten.
BauenBauenBauen als Lösung? Die Verbände der Immobilienwirtschaft reduzieren die
Wohnungsfrage auf rein quantitativen Neubaubedarf und schieben die Verantwortung
einseitig ab auf Staat und Kommunen. Sie rufen nach mehr Baulandausweisung, mehr
Bausubventionen und vereinfachte Baurechte. Sicherlich brauchen Städte und
Wachstumsregionen den Bau von deutlich mehr bezahlbaren Neubauwohnungen. Dabei
sollte nicht nur neuer Wohnraum, sondern lebenswerte, sozial ausgewogene und
ökologische Stadtteile entstehen. Die Hauptlast der Wohnversorgung bleibt jedoch
immer beim Gebäudebestand. Den 285.000 in 2017 neu gebauten Wohnungen stehen 42
Millionen Bestandwohnungen gegenüber. Verantwortliche Wohnungs- und Bodenpolitik
darf darum nicht nur auf neues Bauen setzen, sondern muss ebenso auf ökologische
und sozialverträgliche Maßnahmen für den Bestand setzen .
C. Was folgt daraus für bündnisgrüne Grundsätze und konkrete Schritte?
Es geht darum, staatliche und kommunale Handlungsfähigkeiten zurückzugewinnen
und von der Immobilienwirtschaft mehr Gemeinwohlorientierung, Umwelt- und
Sozialverantwortung einzufordern. Dazu müssen wir die politische Diskussion um
die Sozialpflichtigkeit des Grundeigentumsoffensiv führen und teilweise sehr
grundlegende Reformen für das Bodenrecht und das Wohnungs- und Mietrecht
erarbeiten. Die wichtigsten Handlungsfelder sind:
Erstens zur Bodenpolitik:
- Grundeigentumsverhältnisse müssen transparent sein. Für die Öffentlichkeit
muss nachvollziehbar sein, wer als Eigentümer über eine Immobilie verfügt
und nicht nur, wie die für das Grundstück gebildete Gesellschaft firmiert.
Steuerhinterziehung und anonymisiertes, in Briefkästen verstecktes
Grundeigentum muss unterbunden werden.
- Die steuerliche Privilegierung des Grundeigentums muss eingeschränkt
werden. Über das selbstgenutzte Wohneigentum hinausgehende
Veräußerungsgewinne aus privatem Immobilienvermögen sind wie andere
Einkommen zu besteuern. Wohnungsunternehmen, die keiner
Gemeinwohlverpflichtung unterliegen, dürfen nicht länger von der
Gewerbesteuer befreit werden. Die steuerliche Abschreibung von
spekulativem Leerstand muss eingeschränkt werden. Die Grundsteuer soll auf
dem Bodenwert basieren und darf nicht mehr als Betriebskosten auf die
Miete umgelegt werden. Sie wird bereits mit der Miete entgolten. Das Erben
und Schenken von Grundeigentum ist angemessen zu besteuern.
- Das kommunale Planungsrecht im Baugesetzbuch muss reformiert werden. Die
Kommunen müssen das Recht erhalten, planungsrechtlich geschaffene
Bodenwertsteigerungen abzuschöpfen für Investitionen in Infrastruktur,
Umweltschutz und soziales Wohnen. Auch muss das kommunale Vorkaufsrecht
auf das gesamte Gemeindegebiet erweitert und verbessert werden.
- Der Siedlungsflächenverbrauch muss eingeschränkt werden – sowohl in den
Metropolen als auch im ländlichen Raum. Dafür könnte als Ergänzung zum
naturschutzrechtlichen Ausgleich die Ausweisung von neuem Bauland auf
Agrar- und Naturflächen mit der Verpflichtung zur entsprechenden
Entsiegelung und Renaturierung von Boden andernorts verbunden werden, z.B.
in strukturschwachen Regionen. So würde der naturschutzrechtliche
Ausgleich ergänzt und deutlich ausgeweitet. Gleichzeitig soll die
angemessene Innenverdichtung in den besiedelten Bereichen erleichtert
werden.
- Die Liegenschaftspolitik der öffentlichen Hände und der öffentlichen
Unternehmen muss grundlegend geändert werden. Statt Ausverkauf von
öffentlichen Grundstücken und Gebäuden ebenso wie von öffentlichen
Wohnungsunternehmen geht es um- den Aufbau von kommunalen, landes- und bundeseigenen Bodenfonds;
- die Vergabe von Bodennutzungsrechten ausschließlich durch
Erbbaurechte, - die Vergabe von Erbbaurechten als Konzeptverfahren nach
städtebaulichen, ökologischen, sozialen und kulturellen Kriterien
und dem Ziel der Stärkung von kleinen und mittleren Unternehmen, - die Verpflichtung öffentlicher Unternehmen, Grundstücke, für die sie
keinen Bedarf haben, an den Bodenfonds ihres öffentlichen
Eigentümers oder den jeweiligen kommunalen Bodenfonds zum
Verkehrswert zu verkaufen. - Die schnellstmögliche Vergabe kommunaler Grundstücke an
gemeinwohlorientierte Gesellschaften und Genossenschaften zum Bau
von sozial gebundenen Wohnungen.
Zweitens zur Wohnungs- und Mietenpolitik:
Wohnungsmärkte müssen so gestaltet werden, dass sich Mieten und Immobilienpreise
im Rahmen der allgemeinen Einkommens- und Inflationsentwicklung bewegen. Bei
einem Mieteranteil von 60% in der BRD ist dazu ein starkes Mietrecht gefordert.
Das Mietrecht und das Recht auf Eigentumsumwandlung sollten so reformiert
werden, dass Mieterhöhungen und Mietspiegelerhebung, Modernisierungsumlagen und
Neuvertragsmieten nicht als Immobilienpreistreiber wirken.
- Auch kleine und mittlere Unternehmen und soziokulturelle Projekte brauchen
Mieterschutz. Dafür sollten – zumindest für größere Städte -
Gewerbemietspiegel analog zum Wohnungsmietrecht eingeführt werden.
Alternativ ist auch das französische Gewerbemietrecht denkbar, das
Gewerbemietern besseren Schutz vor Mieterhöhungen und Kündigungen bietet.
- Die Förderung des langfristig und dauerhaft sozial gebundenen Wohnungsbaus
ist als Daueraufgabe für alle wachstumsstarken Städte und Kommunen
unabdingbar ebenso wie die Förderung von energetischer Modernisierung und
Barrierefreiheit. Dies muss mit klaren Sozialbindungen verknüpft werden.
- Die Einführung einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit ist von großer
Bedeutung. Sie hat die Einschränkung der derzeitigen Steuervorteile für
gewerbliche Wohnungsunternehmen zur Voraussetzung.
- Die Rechtsgrundlagen zur Sicherung von bezahlbaren Wohnungsbeständen sind
zu vereinfachen, auszuweiten und zu stärken. Dies gilt insbesondere für
eine wirksame Mietpreisbremse, für den Milieuschutz, für das Verbot der
Zweckentfremdung und für die Einschränkung der Umwandlung von bestehenden
Mietwohnhäusern in Eigentumswohnungen.
- Die Kosten der Unterkunft im Rahmen der Förderung von sozialer
Grundsicherung und das Wohngeld sind regelmäßig der Mieten- und
Wohnkostenentwicklung entsprechend anzupassen. Die wachsende Zahl der
Obdachlosen braucht auch endlich menschenwürdige Unterkünfte.
- Um die energetische Gebäudemodernisierung voranzutreiben, müssen hier
endlich verbindliche Zielvorgaben zur CO2-Neutralität bisspätestens 20502040 in Gebäuden und beim Wohnen vorgegeben werden. Durch den verpflichtenden Einsatz von erneuerbarer Wärme und Strom im Neubau und im Bestand, und mindestens den Effizienzhaus 40 oder Passivhaus-Standard beim Neubau. Durch sozial verträgliche energetische Modernisierung, ohne Verdrängung der Bewohner*innen und möglichst warmmietenneutral. Mit Unterstützung durch Zielgruppen genaue öffentliche Förderung und Beteiligung. Mit gut geplanten Lösungen für ganze Stadtquartiere, und digital unterstützt.
vorgegeben werden. 30 Jahre sind ein angemessener Erneuerungszyklus für
Bauinvestitionen, auch für den Gebäudebestand. Aber bei längerem Zuwarten
läuft uns die Zeit davon!
- Die Bauordnungen müssen verbindliche Vorgaben für klimaschützende und
umweltverträgliche Baumaßnahmen machen.
- Für eine nachhaltige Stadtentwicklung gilt: Es sollte nicht schematisch
auf Privatinvestoren versus kommunale Wohnungswirtschaft gesetzt werden,
sondern auch auf kleinteilige Eigentümervielfalt, auf Vielfalt der Wohn-
und Lebensformen, soziale Mischung, Nutzungsmischung. Notwendig sind auch
transparente Planungsverfahren und überzeugende Bürger- und
Nachbarschaftsbeteiligung. Dies alles zusammen mit guter Infrastruktur,
nachhaltiger Mobilität, Stadtnatur, Spiel, Sport, Kultur und Erholung
macht urbanes Leben aus.
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