Veranstaltung: | BAG Sitzung |
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Antragsteller*in: | Franziska Eichstädt-Bohlig, Andreas Rieger |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 20.06.2018, 08:48 |
A1: Inhaltliches Stichpunktepapier zum Grundsatzprogramm - Schwerpunkt Bodenpolitik (Planungs-, Bau- und Wohnungspolitik)
Antragstext
Die Konzentration von Wirtschaftsmacht und die Finanzialisierung von
Grundeigentum verstärken soziale und räumliche Ungleichheiten, behindern den
Klima- und Umweltschutz und gefährden das historische Erbe unserer Städte und
Dörfer. Das macht neue politische Antworten in der Bodenpolitik notwendig, die
Grundlage für Raumordnung und Stadtentwicklung und eine bessere Wohnungs- und
Mietenpolitik ist. Im Wesentlichen geht es um folgende Probleme und
Herausforderungen:
Fortschreitende sozialräumliche Polarisierung: Marktkonzentration führt
auch zu räumlicher Konzentration. Wachstumsstarken Großstadtregionen
stehen anders strukturierte Dörfer, Klein- und Mittelstädte gegenüber. Die
einen suchen Antworten auf Bevölkerungszuwachs, steigende Mieten und
Wohnungsbedarf für mittlere und untere Einkommensschichten. Die anderen
kämpfen gegen Leerstand und Verfall, gegen den Verlust von Gewerbe und
Handel, Schule und Gesundheitsversorgung. Die Gleichwertigkeit der
Lebensverhältnisse und ein angemessener Infrastrukturzugang (ÖPNV,
Internet, Kultur) sind nicht mehr gewährleistet.
Veränderte Grundeigentümerstrukturen: In den großen Städten haben sich die
Grundeigentumsverhältnisse stark verändert. Natürlich ist nach wie vor ein
Großteil des Grundbesitzes in Privathand, aber Finanzinvestoren, Fonds und
Aktiengesellschaften bestimmen in starkem Maße die städtischen
Immobilienpreise und Wohnungsmärkte. Städtische Bodenrenditen werden heute
mehr als Hebel für schnelle und maximale Kapitalverwertung genutzt und
weniger auf langfristigen Werterhalt ausgerichtet. Das gefährdet die
altersgerechte und energetische Modernisierung des städtebaulich
wertvollen Gebäudebestandes.
Landgrabbing: In ländlichen Regionen insbesondere in Ostdeutschland wird
viel Spekulation mit Landwirtschaftsflächen betrieben. Die Zahl der
inhaberbetriebenen Agrarbetriebe sinkt. Die Zahl der Großbetriebe mit
Monokulturen und Massentierhaltung steigt, obwohl es mit den
Grundstücksverkehrsgesetzen Begrenzungsinstrumente auf Länderebene gibt.
Hier sollten alle Länder an einem Strang ziehen und Agrarstrukturgesetze,
wie Grüne sie beispielsweise in Niedersachsen und Brandenburg entwickelt
haben, versuchen durchzusetzen.
Ungleiche Relation von Einkommens- und Mietenentwicklung: Während die
Lohnentwicklung sich bis 2010 zwischen Null und höchstens 3% brutto (!)
bewegte, seit 2011 immerhin zwischen 3 und 4%, gewährt das Mietrecht
prinzipiell 5% jährliche Nettomietsteigerung und setzt Neuvertragsmieter
trotz Mietpreisbremse besonders hohen Mietforderungen aus.
Modernisierungen dürfen immer noch mit 11% auf die Mieten umgelegt werden.
In strukturschwachen Regionen können Eigentümer diese Rechte oft nicht
maximal nutzen. Umso mehr tun dies die Investoren in den wachstumsstarken
Regionen. Die durchschnittliche Wohnkostenbelastung lag1990 bei 20%, sie
stieg bis 2015 auf 36% bruttowarm (Statistisches Bundesamt).
Alleinstehende und Haushalte mit niedrigem Einkommen müssen vielfach
zwischen 40 und 50% ihres Einkommens für das Wohnen ausgeben.
Die politische Privilegierung des Grundeigentums verstärkt die
gesellschaftlichen Ungleichheiten. Der Staat bevorzugt nicht nur das
selbstgenutzte Wohneigentum sondern auch größeres privates
Immobilienvermögen und die gewerbliche Wohnungswirtschaft. Zugang zum
deutschen Grundstücksmarkt haben nicht nur EU-Bürger sondern Investoren
aus aller Welt, was auch dubiose Geschäftemacher anzieht. Italienische
Mafiosi, afrikanische Potentaten, russische und chinesische Oligarchen
stecken ihre Gelder hier gerne in Core-Immobilien. Der Begünstigung des
Grundeigentums im Steuer-, Miet-, Planungs- und Gesellschaftsrecht steht
zu wenig Mitverantwortung für das Allgemeinwohl gegenüber.
Artikel 14 GG: „Eigentum ... soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit
dienen.“ Intransparente Eigentümerstrukturen, zu wenig
Steuerungsmöglichkeiten der Kommunen und fehlender Standortwertausgleich
machen Immobilieneigentum zum Renditeobjekt zulasten lebenswerter Städte.
Große Immobilieneigentümer verschaffen sich eine durch öffentliche
Investitionen gesicherte, auflagenlose Rendite, die nur gering oder gar
nicht besteuert wird. Das Grundgesetz fordert vom Gesetzgeber in Art. 14
(2) ausdrücklich eine Sicherung der Sozialpflichtigkeit des Eigentums.
Bisher ist der Gesetzgeber dieser Verpflichtung nicht nachgekommen. Hier
liegt dringender politischer Handlungsbedarf – und zwar mehr als die heute
gebräuchliche Placebo- oder Symptombehandlungs-Politik. Ferner bedarf es
auch einer Änderung der §§93, 94 BGB.
Falsche Wohnungs- und Liegenschaftspolitik: Die Wohnungsgemeinnützigkeit
wurde 1989 abgeschafft. Die Bindungen der Sozialwohnungsbestände sind
überwiegend ausgelaufen. Viele öffentliche Wohnungsbestände wurden an
Finanzinvestoren verkauft. Überschuldete Kommunen haben oft auch ihre
Grundstücke nach Höchstpreisverfahren privatisiert ebenso wie der Bund
dies tut. Nicht nur Niedrigzinsen sondern auch das Mietrecht und das Recht
auf Eigentumsumwandlung forcieren den Run auf die Kapitalverwertung
städtischer Immobilien. Das Sichern und Schaffen von bezahlbaren und
sozial gebundenen Wohnungen in den wachstumsstarken Stadtregionen wird
eine Daueraufgabe.
Der Verlust der sozialen und städtebaulichen Steuerungsfähigkeit von
Städten und Kommunen: Viele Städte und Gemeinden sind anhaltend finanz-
und handlungsschwach. Das neoliberale Prinzip des „schlanken Staats“ hat
zum Ausverkauf elementarer öffentlicher Gemeingüter geführt und kommunale
Handlungsspielräume eingeschränkt. Investoren nutzen den Boden zur
Kapitalverwertung, ohne einen angemessenen Beitrag zu den kommunalen
Infrastrukturen und zum Gemeinwohl zu leisten. Es geht darum, staatliche
und kommunale Handlungsfähigkeiten zurückzugewinnen und von der
Immobilienwirtschaft mehr Gemeinwohlorientierung und Sozialpflichtigkeit
einzufordern. Eine Gemeindefinanzreform, die den Kommunen Chancen auf mehr
eigenständige Steuereinnahmen gibt, ist überfällig.
Zu geringe Fortschritte beim Bodenschutz, Umwelt- und Klimaschutz: Die
wichtigsten ökologischen Anforderungen an Gebäudebestand und Neubau,
Städte- und Siedlungsbau sind die Senkung des Siedlungsflächenverbrauchs,
die Optimierung der Energieeffizienz bei Bestand und Neubau und der
Einsatz von gesunden, umwelt- und klimaschützenden Baustoffen,
Bautechniken und regenerativen Energien.
Das besondere Problem unserer Partei ist, dass wir sehr diffus in unserer sozio-
ökonomischen Grundhaltung sind. Die Spanne reicht von entschiedenen
Wachstumskritikern bis zu ebenso entschiedenen Anhängern der globalen
Kapitalverwertung, die es nur für die ökologische Modernisierung zu gewinnen
gilt. Parteien brauchen aber eine für die Bürger*innen klar erkennbare sozio-
ökonomische DNA. Eine ökologische DNA allein reicht nicht aus. Nachhaltigkeit
muss ökonomisch, sozial und ökologisch buchstabiert werden. Hier fehlt uns die
Erkennbarkeit. Das werden wir angehen müssen, wollen wir in breiteren Schichten
der Bevölkerung Fuß fassen.
Wir müssen die politische Diskussion um die Sozialpflichtigkeit des
Grundeigentums offensiv führen und konkrete Forderungen dazu insbesondere im
Miet-, Steuer-, Gesellschafts- und Planungsrecht erarbeiten. Dazu in
Stichpunkten wichtige Forderungen, für die es noch vielfachen Diskussionsbedarf
gibt (Stand Juni 2018):
Die steuerrechtliche Privilegierung von Erträgen aus Grundeigentum muss
eingeschränkt werden. Veräußerungsgewinne aus privatem Immobilienvermögen,
das über das selbstgenutzte Wohneigentum hinaus geht, sind angemessen zu
besteuern. Wohnungsunternehmen, die keiner Gemeinwohlverpflichtung
unterliegen, dürfen nicht länger von der Gewerbesteuer befreit werden. Die
steuerliche Abschreibung von spekulativem Leerstand muss eingeschränkt
werden. Die Grundsteuer ist als Bodenwertsteuer auf Grundlage der
Bodenrichtwerte auszugestalten. Die Grundsteuer darf dann aber auch nicht
weiter als Betriebskosten auf die Miete umgelegt werden, da sie bereits
mit der Miete entgolten wird. Es ist klar, dass hierzu Übergangsregelungen
erforderlich sind um Härten zu vermeiden. Das Vererben und Schenken von
Grundeigentum über den Eigenbedarf hinaus muss angemessener besteuert
werden als bislang.
Das kommunale Planungsrecht (BauGB) ist fortzuschreiben. Grundeigentümer
sollen der Kommune Teile der planungsrechtlichen Bodenwertsteigerung für
Investitionen in die sozialen Infrastrukturen abgeben. Bei
Wohnungsbauvorhaben muss die Kommune auch das Recht haben, die Bauherren
zu verpflichten, anteilig öffentlich geförderte Sozialwohnungen und/oder
privat finanzierte bezahlbare Wohnungen zu erstellen.
Der Siedlungsflächenverbrauch muss eingeschränkt werden. Dafür könnte die
Ausweisung von neuem Bauland auf Agrar- und Naturflächen mit der
Verpflichtung zur entsprechenden Renaturierung von Boden andernorts
verbunden werden. Damit würde der naturschutzrechtliche Ausgleich ergänzt
und deutlich ausgeweitet. Gleichzeitig soll eine angemessene
Innenverdichtung in den besiedelten Bereichen organisiert werden. Hierzu
sind Instrumente der Bauflächenaktivierung in partizipativen Verfahren
einzuführen. Ein „Baukindergeld“ sollte es – wenn überhaupt –
ausschließlich für die Erneuerung und Nachnutzung von bestehenden
Wohnungen und Gebäuden geben, nicht für die weitere Zersiedlung von Agrar-
und Naturland.
Die Liegenschaftspolitik der öffentlichen Hände muss grundlegend geändert
werden. Der dauerhafte Gebrauchswert von Grund und Boden ist nicht nur
gesellschaftlich, sondern auch ökonomisch viel größer als der kurzfristig
erzielbare Marktwert. Statt Ausverkauf von öffentlichen Grundstücken,
Wohnungsbeständen und Wohnungsunternehmen setzen wir auf:
- den Aufbau von kommunalen, landes- und bundeseigenen Bodenfonds;
- die Vergabe von Bodennutzungsrechten ausschließlich durch Erbbaurechte,
- die Grundstücksvergabe nach Konzeptverfahren, bei denen städtebauliche,
ökologische, soziale und kulturelle Kriterien sowie die Stärkung von
kleinen und
mittleren Unternehmen Vorrang haben vor dem erzielbaren Erbbauzins,
- die Stärkung der kommunalen Vorkaufsrechte,
- die Verpflichtung öffentlicher Unternehmen, Grundstücke, für die sie
keinen Bedarf
haben, zum Verkehrswert dem Bodenfonds ihres öffentlichen Eigentümers oder
dem jeweiligen kommunalen Bodenfonds zum Vorkauf anzubieten.
Die Förderung des langfristig und dauerhaft sozial gebundenen Wohnungsbaus
ist als Daueraufgabe für alle wachstumsstarken Städte und Kommunen
unabdingbar. Ebenso wie die Förderung von energetischer Modernisierung und
Barrierefreiheit. Dies muss mit klaren Sozial- und Mietbindungen verknüpft
werden. Die Einführung einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit ist von großer
Bedeutung. Sie hat aber die Einschränkung der derzeitigen Steuervorteile
für gewerbliche Wohnungsunternehmen zur Voraussetzung. Grundsätzlich
gilt: Bei allen Instrumenten sollte nicht schematisch auf private
Immobilienverwertungsrechte versus kommunale, gleich soziale und
gemeinnützige Wohnungswirtschaft gesetzt werden sondern auf (kleinteilige)
Eigentümervielfalt, Vielfalt der Wohn- und Lebensformen, soziale Mischung
und Nutzungsmischung. Denn dies zusammen mit guter Infrastruktur,
Stadtnatur, Spiel, Sport und Erholung macht urbanes Leben aus.
Änderungsanträge
- A1-002 (Daniela Wagner, Eingereicht)
- A1-011 (Daniela Wagner, Eingereicht)
- A1-012 (Thomas Wolff, Eingereicht)
- A1-024 (Thomas Wolff, Eingereicht)
- A1-036 (Daniela Wagner, Eingereicht)
- A1-047 (Thomas Wolff, Eingereicht)
- A1-052 (Kai Zaschel, Eingereicht)
- A1-060 (Daniela Wagner, Eingereicht)
- A1-087 (Daniela Wagner, Eingereicht)
- A1-090 (Daniela Wagner, Eingereicht)
- A1-097 (Daniela Wagner, Eingereicht)
- A1-103 (Daniela Wagner, Eingereicht)
- A1-105 (Daniela Wagner, Eingereicht)
- A1-124 (Stephan Heymann (Hamburg-Wandsbek KV), Eingereicht)
- A1-128 (Daniela Wagner, Eingereicht)
- A1-128-2 (Stephan Heymann (Hamburg-Wandsbek KV), Eingereicht)
- A1-129 (Stephan Heymann (Hamburg-Wandsbek KV), Eingereicht)
- A1-137 (Daniela Wagner, Eingereicht)
- A1-141 (Joachim Schmitt (KV Charlottenburg-Wilmersdorf), Eingereicht)
- A1-146 (Thomas Wolff, Eingereicht)
- A1-146-2 (Thomas Wolff, Eingereicht)
- A1-146-3 (Stephan Heymann (Hamburg-Wandsbek KV), Eingereicht)
- A1-149 (Stephan Heymann (Hamburg-Wandsbek KV), Eingereicht)
- A1-153 (Daniela Wagner, Eingereicht)
- A1-160 (Daniela Wagner, Eingereicht)
- A1-180 (Thomas Wolff, Eingereicht)
- A1-194 (Daniela Wagner, Eingereicht)
Kommentare
Stephan Heymann:
Andreas Rieger:
Bei diesem Antrag geht es aber eher darum dem BuVo von der Bedeutung und der Wichtigkeit dieser Themen zu überzeugen. Inhaltlich bedarf das einer sicher noch einer Überarbeitung und Konkretisierung.
Wie immer gilt: Änderungsanträge willkommen
Caro:
So könnten wir über seinen Inhalt diskutieren ohne Zeit und Mühe mit dem unzureichenden Aufbau zu verlieren.
In der jetzigen Form sehe ich die Gefahr, dass wir ihn nicht abstimmen können, sondern ihn an eine Schreibgruppe überantworten und dann erst im Herbst abstimmen. Das wäre ein blöder Zeitverlust.
Andreas Rieger:
das Problem ist, dass die notwendige Überarbeitung ein erheblicher Aufwand ist, der jetzt nicht geleistet werden kann und jetzt auch nioch nicht erforderlich ist.
Thomas Wolff:
Dr. Ronald Kunze:
Andreas Rieger:
stellst du noch Änderungsanträge?
Thomas Wolff:
Arturo Buchholz-Berger:
Ob die Formulierung in ein Grundsatzprogramm gehört (überhaupt), das glaube ich so nicht. Angeblich (Michael…) soll das Programm ja so ca 20 Jahre halten.
Ehe ich das weiterspinne - abgekürzt:
Ich finde, dass der gesamte Antrag vortrefflich aktuell ist und genau die Themen und Zusammenhänge listet, mit denen ich mich gerne auf jeder Sitzung befassen würde, jetzt!… und gerne strukturiert, also der Reihe nach.
Was denkt Ihr: wie kann man daraus Themen/ Teilprojekte/ prägnante politische Forderungen destillieren, die ihre Bedeutung über einen langen Zeitraum nicht verlieren: ich denke zunächst an ein Wahlprogramm, dann an ein Dauer-Grundsatzprogramm, über das man noch ca. 2 Jahre verhandeln will…??
(ich meine: das Problem kann man mit Änderungsanträgen nicht lösen)
Katy Mietzger:
Wichtig fände ich es, dass die Punkte zur energetischen Modernisierung und ökologischen Bauen erhalten bleiben.
Danke für die Initiative, denn es ist wichtig, dass das Thema auch im Programmprozess gestärkt.
Daniela Wagner (i.A. Jonas Wille):
Lieber Andreas,
insgesamt ist das Papier für ein Grundsatzprogramm viel zu kleinteilig und da es sich ja - zumindest dem Titel nach - um Bodenpolitik handeln soll auch zu wenig fokussiert.
Im Augenblick kommt es mehr wie ein allgemeines Papier zur Immobilien- und Wohnungspolitik rüber, welches darüber hinaus auch noch den Anschein erweckt, dass Immobilien- und Wohneigentum per se etwas schlechtes ist. Diesem Anschein will ich entschieden entgegentreten.
Mit besten Grüßen